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Die Gegenpäpstin

Titel: Die Gegenpäpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Bildschirm. »In orthodoxen jüdischen Kreisen gibt es ein ehernes Gesetz«, fuhr sie
     nachdenklich fort. »Unter keinen Umständen darf die Totenruhe gestört werden. Für strenggläubige Juden ist es völlig undenkbar,
     unsere Ausgrabungen an altertümlichen Gräbern zu billigen. Sie haben meinen Vater gestern gehört. Obwohl er sich mit Sicherheit
     nicht zu den ultraorthodoxen Kreisen zählt, kann er es nicht gutheißen, wenn wir die Knochen längst verstorbener Menschen
     ausgraben. Das Problem wird uns garantiert auch bei diesem Fund beschäftigen. Es hat schon Morddrohungen gegeben, wenn die
     Anhänger sogenannter Knochenwächter die Herausgabe eines Skelettes forderten, damit es erneut in Frieden beerdigt werden konnte.«
    Markert schwieg für einen Moment. Dann sah er auf, während Sarah die zweite CD einlegte, um eine weitere Kopie zu ziehen.
    |60| »Das Echo wird riesig sein«, gab er zu bedenken. »Ich könnte mir gut vorstellen, daß nicht nur wissenschaftliche Vertreter
     ihr Interesse anmelden. Genausogut könnte der Vatikan seine Ansprüche geltend machen. Immerhin liegen die Gebeine der Heiligen
     Drei Könige in einem Schrein der katholischen Kirche in Köln verwahrt. Von anderen christlichen Reliquien einmal ganz abgesehen.«
    »Wenn mich nicht alles täuscht, waren die Weisen aus dem Morgenland in Judäa so etwas wie Ausländer«, bemerkte Sarah amüsiert.
     »Wenn es also nachweislich Juden gewesen wären, hätten Ihre Leute ein Problem. Wobei Sie nicht vergessen dürfen, das Wort
     ›Christen‹ existierte zu der Zeit, in der Jesus angeblich gelebt hat, noch gar nicht.«
     
    Es war beinahe Mitternacht, als Sarah nach Hause zurückkehrte. Sie erschrak heftig, als sie in den dunklen Flur trat und ihr
     Leah in einem weißen Hemd und mit einer Taschenlampe im Anschlag entgegentrat.
    »Wo kommst du her?« Es klang mehr als vorwurfsvoll. »Dein Vater und ich haben mit dem Essen auf dich gewartet. Er sieht es
     nicht gerne, wenn du zu Beginn des Sabbats nicht da bist und die Kerzen anzündest. Wir haben uns Sorgen gemacht. Ich habe
     einige Male versucht, dich telefonisch zu erreichen, aber du hast nicht abgehoben.«
    »Ich war den ganzen Tag im Labor, und unten im Keller funktioniert das Mobiltelefon nicht«, erklärte Sarah genervt.
    »Was ist so wichtig, daß du deinen armen Vater in eine solche Aufregung versetzt?«
    Sarah verspürte Zorn, weil Leah sich mehr und mehr aufführte, als wäre sie ihre Mutter.
    »Es tut mir aufrichtig leid«, sagte sie dann, um Ruhe bemüht. »Ich arbeite im Moment an einem wichtigen Projekt. Ich kann
     noch nicht darüber sprechen, aber es ist bedeutend genug, um |61| ausnahmsweise den Beginn des Shabbats zu vergessen. Ist mein Vater noch wach?«
    »Nein, er fühlte sich nicht wohl. Er ist zeitig zu Bett gegangen.«
    Sarah zog sich in ihr Zimmer zurück. Als sie an ihrem Schreibtisch ihre Tasche auspackte, stieß sie auf eine der CD-Hüllen
     aus dem Labor. Sie hatte vergessen, die Kopien der Pergamente in der Uni in ein Schließfach zu legen.
    Rasch fuhr sie ihren Laptop hoch.
    Während sie es sich wenig später mit ihrem Rechner auf dem Schoß und einer Tasse Tee auf dem Bett gemütlich machte, wartete
     sie geduldig darauf, daß die erste Seite des ersten Pergamentes auf dem Bildschirm auftauchte. Obwohl die Schrift uralt und
     etwas krakelig erschien, hatte Sarah wenig Mühe, sie zu entziffern.
    Töchter Israels in der Welt und des Alls,
    kehrt zurück in den Schoß eurer Mutter,
    um den wahren Namen eures Vaters zu erfahren,
    den, der euch mit seiner Liebe erfüllt,
    bis ans Ende eurer Tage und
    darüber hinaus bis in alle Ewigkeit,
    euch die Worte bestimmt,
    die eure Herzen erblühen lassen,
    wie Rosen nach einem langen Winter,
    welche die Wahrheit hervorbringen und
    wie lebendiges Wasser die endlose Wüste überfluten,
    gleich einem Licht, das, ins Dunkel entsandt,
    euch den Weg weisen wird,
    in eine unsichtbare Welt,
    für die es sich zu leben
    und nicht weniger
    zu sterben lohnt …

|62| 6.
62 n. Chr. – Sieben Dämonen
    Der Händler erschien erst am zweiten Tag nach dem Shabbat. Mirjam mußte ihre Ungeduld zügeln, bis der junge Mann endlich sein
     Maultier abgeladen und all seine Schätze vor ihr ausgebreitet hatte.
    Jaakov schüttelte den Kopf, als er hörte, wie hoch der Preis für das Pergament sein sollte. Papyrus wäre weitaus billiger
     gewesen, war aber längst nicht so haltbar wie Ziegenhaut. Anstatt zu verhandeln, willigte Mirjam

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