Die Gegenpäpstin
Pergamente sprechen von einer Tochter, und daß sie die Gefährtin von Jeschua ben Jose war.«
»Wunderbar.« Regine klatschte vor Begeisterung in die Hände. »Was wollen wir mehr?«
|154| Sarah räusperte sich. »Es gibt da nur ein Problem. Die Pergamente besitze ich nur in Kopien, was für eine wissenschaftliche
Veröffentlichung nicht ausreicht, und selbst wenn ich sie im Original besitzen würde, dürfte ich die Untersuchungsergebnisse
nicht ohne die Genehmigung der israelischen Behörden publizieren.«
»Wenn es weiter nichts ist«, sagte Regine von Brest erleichtert. »Schätzchen, ich war jahrelang Marketingleiterin eines großen
Konzerns. Aus dieser Zeit habe ich noch zahlreiche Verbindungen zu Journalisten. Für die ist das ein gefundenes Fressen. Sie
werden sozusagen das Terrain bereiten, wenn wir in Rom angekommen sind. Den Rest machen wir. Allerdings mußt du dir darüber
im klaren sein, daß sich dein Leben danach vielleicht ein wenig verändert.«
»Was meinst du damit?« Sarahs Blick verriet Unsicherheit.
»Na ja – vielleicht wollen ein paar von unseren Journalistenfreunden wissen, wer sich hinter der Nachfahrin von Maria Magdalena
verbirgt. Aber, wenn du mich fragst, wird die Publicity überaus nützlich sein. So werden wir den Vatikan endlich aus den Angeln
heben.« Regine sah Rolf und Sarah an und hob ihr Glas. »Auf gute Zusammenarbeit!«
|155| 16.
62 n. Chr. – In ewigem Vertrauen
Mirjam fühlte sich schwach. Dennoch schleppte sie sich nach draußen, um in der Dämmerung nach Jaakov Ausschau zu halten. Auch
wenn eine innere Stimme ihr häufig eingeflüstert hatte, was geschehen würde, so würde sie nie die Sorge und Unsicherheit ablegen
können, wenn es um das Wohl der Menschen ging, die sie liebte.
Jeschua hatte ihre Ängste den Verlust des Vertrauens genannt, und dabei hatte er sie angesehen, als ob sie der ewigen Verdammnis
bereits anheimgefallen wäre. Ohne Vertrauen war es nicht möglich, in das Reich Gottes einzugehen, und das zweite, was unabdingbar
war, war Geduld. Von dieser Gabe besaß Mirjam so gut wie gar nichts, wie Jeschua ihr oft neckend vorgeworfen hatte.
So sehr Mirjam auch in die Ferne schaute, von Jaakov war weit und breit nichts zu sehen. Mit den Jahren hatte ihr Augenlicht
gelitten. Sie setzte sich auf einen Mahlstein, der die Hitze des Tages gespeichert hatte und seine wohlige Wärme abgab. Hier
wollte sie warten und die weiche, frische Luft genießen, die der Wind vom See herauftrug. Sacht strich die laue Brise über
ihren bloßen Arm, und ihr war, als ob Jeschua direkt neben ihr stehen würde und sie mit seiner unendlichen Sanftheit berührte.
Obwohl es ihm immer wichtig gewesen war, daß er all die Menschen, denen er begegnete, gleich behandelte, war sie doch diejenige
gewesen, die seine Liebe weitaus inniger erfahren durfte als irgendwer sonst auf der Welt.
Eine von Jaakovs Katzen sprang auf ihren Schoß. Mirjam kraulte den Hals des Tieres, während es sich genüßlich streckte.
Mit einem Mal tauchte ein Bild in ihrer Erinnerung auf, wie Jeschua sie nach der Geburt ihrer Tochter angesehen hatte. Seine |156| Augen spiegelten sich in den Augen des Kindes wider, hell und klar, wie das silberne Mondlicht, und der Stolz, der darin zu
sehen war, freute sie mehr als alle Liebkosungen. Sarah hatten sie das Mädchen genannt, und Mirjam war sich oft genug wie
eine Rabenmutter vorgekommen, weil sie das Kind, sobald es entwöhnt war, bei ihrer Schwester Martha unterbrachte, damit sie
Jeschua auf seinen Wanderungen durch das Land begleiten konnte. Das Mädchen hatte sich jedoch in der häuslichen Obhut seiner
Tante wohlgefühlt, und Mirjam war Jeschua nicht nur aus Liebe und Überzeugung gefolgt. Sie folgte ihm immer öfter aus Sorge
um sein Wohlergehen. Je größer seine Anhängerschaft wurde, desto größer wurde ebenso die Schar seiner Feinde.
»Dir fehlt es an Vertrauen, Mirjam«, hatte er immer öfter gesagt, und sein Blick war mit einem Mal traurig. So gern sie ihm
glauben wollte, daß alles im Leben so kam, wie es kommen mußte, tröstete sie diese Erkenntnis wenig, wenn es darum ging, ihn
von einer höheren Macht beschützt wissen zu wollen.
Einst war sie ihm gefolgt, weil sie den rachsüchtigen Gott des alten Glaubens nicht länger ertragen konnte. Doch ihr blieb
die Frage, ob der gütige Gott, von dem Jeschua immerzu sprach, ob dieser Gott stark genug sein würde, um ihn und alle, die
ihm folgten, zu
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