Die Gegenpäpstin
beschützen.
Vor all jenen, die dem rachsüchtigen Gott folgten, der jederzeit bereit war, seine Anhänger in den Kampf zu entsenden, nicht
mit dem Herzen, sondern mit dem Schwert, damit sie das Blut ihrer Feinde vergossen, unabhängig davon, ob es sich um Krieger,
Frauen oder Kinder handelte.
Plötzlich vernahm sie Schritte. Ihre Augen versuchten die Nacht zu durchdringen. Sie fröstelte. »Jaakov?« Auf einmal war es
kalt, und die Gestalt antwortete nicht sofort. Statt dessen legte sich eine warme Hand auf ihre Schulter.
»Was machst du hier draußen, du solltest im Haus sein«, sagte eine dunkle Stimme, und im ersten Moment war sie nicht sicher, |157| ob sie eine Vision hatte und es Jeschua war, der sie zur Ordnung rief, doch dann flackerte eine Fackel auf.
»Jaakov«, sagte sie erleichtert.
Er faßte sie am Ellbogen und führte sie ins Haus. »Kann man dich denn keinen Tag alleine lassen? Du hast Fieber.« Seine Stimme
war voller Sorge. »Ich koche dir einen Tee. Leg dich hin.«
Mirjam setzte sich auf ihr Schlaflager nieder und zog sich die Wolldecke über die Schulter. Sie beobachtete, wie die Flammen
des Ofens aufleuchteten, über den Jaakov den eisernen Wasserkessel an einer Kette aufgehängt hatte. Dann sah sie ihn mit einem
Lächeln an.
»Jaakov von Nazareth, du solltest mehr Vertrauen haben, weißt du das?«
Er antwortete nicht, sondern warf die Kräuter, die er aus Kanaa mitgebracht hatte, in das dampfende Wasser.
»Dauert es noch lange, bis der Tee fertig ist?« fragte sie, nur um ihn zum Sprechen zu bewegen.
Er sah sie an und lächelte. »Und du, Mirjam von Taricheae, solltest geduldiger sein. Hat dir das schon mal jemand gesagt?«
|158| 17.
Februar 2007 – Rom – Die Franziskaner
Direkt neben Padrig lag die schwielige rechte Hand seines Vaters. Sie war über und über mit Blut besudelt. Ganz langsam schob
Padrig seine eigene Hand in die viel größere hinein. Eigenartigerweise machte es ihm überhaupt nichts aus, obwohl er sonst
noch nicht einmal sein eigenes Blut sehen konnte. Leise drückte er zu. Die Augen des Vaters öffneten sich einen Spalt, und
in dem kalten Küchenlicht sah Padrig die blaue Iris, die unnatürlich hell aufleuchtete, weil die Pupille darin nur noch so
groß wie ein Stecknadelkopf war. Es schien, als ob sein Vater ihm etwas sagen wollte, doch das Atmen fiel ihm zusehends schwerer,
und mehr als eine kaum wahrnehmbare Lippenbewegung brachte er nicht zustande.
»Wo bleibt nur der verdammte Krankenwagen?« brummte einer der Soldaten.
Padrigs Mutter saß auf dem Boden. Ihr Leib wölbte sich, als hätte sie eine Melone unter ihrem Kleid verborgen, weil sie hochschwanger
war. Sie wiegte ihren jüngsten Sohn, der kaum elf Monate alt war, im Arm und weinte leise. Gleichzeitig strich sie dem Vater
mit der anderen Hand unentwegt den Schweiß von der Stirn.
Plötzlich stand Eileen in der Tür. Weiß wie ein Gespenst starrte sie Padrig mit rotgeränderten Augen an.
Die Männer ließen ihre Gewehre sinken, während der am Boden hockende Soldat nochmals den Puls des Schwerverletzten prüfte.
»Ist Daddy tot?« piepste sie.
Der Soldat schaute zu Eileen auf, die in ihrem gerüschten Nachthemdchen und den blonden Locken wie ein kleiner Engel aussah,
der sich in die Hölle verirrt hat.
»Ich hoffe nicht, Kleine.«
|159| Der Wecker, den Pater Padrig sich auf fünf Uhr früh gestellt hatte, schrillte unerbittlich. Er erwachte aus dem Alptraum,
der ihn in den letzten dreiundzwanzig Jahren mit schöner Regelmäßigkeit verfolgte und ihn unbarmherzig daran erinnerte, daß
er am Tod seines Vaters eine Mitschuld trug.
Ein Blick aus dem Fenster des Wohnheims, in dem man die Franziskaner in ihrer Zentrale in Rom unterzubringen pflegte, verriet
ihm, daß die noch unbelebten Straßen von Rom zwar kühl, aber trocken genug waren, um beim täglichen Lauf entlang des Tibers
auf eine Regenjacke verzichten zu können.
Die Luft war kalt, und Padrig erzeugte kleine Atemwölkchen, als er die Straße zum Fluß hinunterlief. Rom war ein Moloch, in
dem sich alles vereinte, was es überhaupt auf dieser Welt gab, und gleichzeitig war es die faszinierendste Stadt, die Padrig
sich vorstellen konnte.
Erst vor wenigen Monaten war er aus Dublin in den Vatikan berufen worden. Als Büroleiter des franziskanischen Erzbischofs,
Monsignore Pablo Mendez, genoß er nun weit mehr Privilegien als in den Zeiten zuvor, als er sich um heimatlose irische Jugendliche
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