Die Gegenpäpstin
gekümmert hatte. Jedoch die Frage, welche Tätigkeit sinnvoller war, stellte er sich lieber erst gar nicht …
Vor allem seine Sprachbegabung hatte ihn nach Rom geführt. Englisch, Deutsch, Latein, Französisch und Italienisch, ein Theologiestudium
mit Auszeichnung, dazu umfassende Kenntnisse im Umgang mit moderner Computersoftware und ein Auftreten ohne jeden Fehl und
Tadel waren der geschätzten Obrigkeit seines Ordens offenbar zu verlockend erschienen, als daß man seinem Wunsch, ihn in die
Slums von Bogotá zu entsenden, erfüllt hätte.
Der Rhythmus seiner Schritte entfaltete für Padrig eine kontemplative Wirkung, und es gehörte für ihn zu einer liebgewonnenen
Gewohnheit, in der Abgeschiedenheit des noch dunklen Morgens über sein Leben nachzudenken. Es war ein offenes Geheimnis, |160| daß er sich nach seinem einfachen, wenn auch schwierigen Dasein zurücksehnte und er keinen Wert darauf legte, eines Tages
im Kardinalspurpur einherzuschreiten.
Zurück am Wohnheim der franziskanischen Zentrale in der Via Santa Maria, rannte Padrig die Treppen bis in den dritten Stock
hinauf. Dort wandte er sich nach rechts in einen langen, blankgebohnerten Gang, um zu seinem spartanisch eingerichteten Einzimmerapartment
zu gelangen. Im Flur begegnete ihm Julio, ein spanischer Bruder, mit dem er eine Weile in einem Übersetzungsbüro der Kurie
gearbeitet hatte.
»Du bist spät dran, Padrig. Hoffentlich reicht es wenigstens für eine Katzenwäsche«, scherzte der schwarzgelockte Bruder.
»Die Glocke hat bereits geläutet.«
Padrig winkte lachend ab und begab sich rasch in sein Apartment. Im Eiltempo entledigte er sich seiner Joggingsachen und stellte
sich unter die kalte Dusche. Mit noch feuchten Haaren schlüpfte er in seine Unterwäsche und dann in seine graubraune, knöchellange
Kutte mit Schulterkragen und Kapuze. Zuletzt band er den obligatorischen Strick mit den drei Knoten um die Taille und komplettierte
seinen Habit mit Wollsocken und Ledersandalen. Bevor er hinaustrat, lief er noch einmal zurück. Er hatte seine Lederschnur
mit dem kleinen Bronzekreuz daran vergessen. Seine Mutter hatte es ihm zu seinem sechzehnten Geburtstag geschenkt, weil sie
meinte, nun könne ihn nur noch der liebe Gott beschützen.
Die achteckige Kapelle lag am hinteren Ende des Hauptgebäudes. Pater Jofré hatte schon mit der Messe begonnen, als Padrig
sich hineinschlich, um hinter einem der annähernd fünfzig Brüder Platz zu nehmen.
Nach dem Schlußsegen folgte er dem Pulk schweigsamer Männer in den Speisesaal, um das Frühstück einzunehmen. Gegen acht mußte
er spätestens im Vatikan sein. Er ging die gut eineinhalb Kilometer zu Fuß, und bereits um neun hatte er den ersten Auftrag |161| zu erledigen, indem er für Erzbischof Mendez verschiedene Kopien aus der vatikanischen Zentralbibliothek beschaffen mußte.
Padrig war viel zu beschäftigt, während er sich in den langen Regalen mit den unzähligen Werken zum kanonischen Recht zu orientieren
versuchte, als daß er sofort bemerkt hätte, wie ihn jemand ins Visier nahm. Lediglich ein störender Geruch kroch ihm in die
Nase – nach Bergamotte und billigem Rasierwasser. Als er aufschaute, sah er in das stechende Augenpaar des Kardinals Baptiste
Lucera. Seines Zeichens Mitarbeiter im Außenministerium des Vatikanstaates, zählte der hagere, ältere Mann zu den engsten
Vertrauten des Heiligen Vaters.
»Exzellenz?« Padrig räusperte sich kurz und versuchte ein wenig auf Abstand zu gehen.
»Pater McFadden?« Der hochrangige Angehörige des Heiligen Stuhls bedachte Padrig mit einem forschenden Blick.
»Ja?« erwiderte Padrig, während er sich zu voller Größe aufrichtete. »Womit kann ich dienen?«
»Ihr Vorgesetzter ist …« Luceras Miene blieb unbewegt.
»Erzbischof Pablo Mendez«, entgegnete Padrig ruhig. »Er arbeitet dem Amt für auswärtige Angelegenheiten zu. Ich bin sein Büroleiter.«
»Ich weiß, wer Erzbischof Mendez ist«, raunte Kardinal Lucera ungeduldig. »Ist er im Hause?«
»Ja.« Padrig nickte. »Er sitzt in seinem Büro.« Eine gewisse Erleichterung machte sich in ihm breit, weil Kardinal Lucera
offenbar nicht an ihm selbst interessiert war, sondern an seinem Vorgesetzten.
»Ich möchte ihn sehen«, sagte der Kardinal streng, und die Falten in seinen ausgemergelten Wangen schienen sich erneut zu
vertiefen »Und Sie ebenfalls. Heute nachmittag um drei in meinem Büro. Und behalten Sie Stillschweigen über unser
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