Die Gegenpäpstin
Jugendstilvilla, die in einem riesigen Park mit alten Bäumen und Kieswegen lag.
Um auf das Anwesen zu gelangen, mußte man zunächst vor einem fest verschlossenen Stahlgittertor warten, an dem etliche Kameras
angebracht waren.
»Das ist ja wie eine Festung«, stellte Sarah fest.
Rolf ließ die Seitenscheibe seines Vans herunter, um zu horchen, ob sie sich über die Gegensprechanlage anmelden mußten. »In
jedem Fall kann Regine dir mehr Sicherheit bieten als Volker und ich«, erklärte er resigniert. »Die Damen haben sich mit ihrem
Engagement unter anderem für Frauenhäuser nicht nur Freunde gemacht und sind Kummer gewöhnt.«
Das Tor rollte wie von Zauberhand zur Seite und gab den Weg frei.
Ein älterer Mann, dem lediglich der Frack fehlte, um wie ein formvollendeter Butler auszusehen, führte Sarah und Rolf in den
ersten Stock der Villa. Sie schauten sich interessiert um. Hinter der prunkvollen, altertümlichen Fassade verbarg sich kein
Wohnhaus, sondern ein moderner Bürokomplex. Etliche Frauen arbeiteten in den verschiedenen Räumen und lächelten ihnen freundlich
zu.
Regine von Brest erwartete sie bereits. Sie sah nicht unbedingt so aus, wie sich Sarah eine katholische Betschwester vorgestellt
hatte. Sie war groß, blond und elegant mit einem graubraunen Rock und einer dezenten schwarzen Hemdbluse bekleidet. Ihr ebenmäßiges
Gesicht wies für eine Frau von Anfang Vierzig erstaunlich wenig Falten auf. Ein silbernes Brustkreuz und ein goldener Siegelring
mit ihrem Familienwappen komplettierten ihre auffallende Erscheinung.
|150| »Meine Güte, Rolf«, rief sie aufgeregt, während sie ihnen in ihrem geräumigen Büro entgegenlief, »was ist denn bei euch los?
Das ist ja furchtbar. Selbstverständlich könnt ihr so lange bei mir wohnen, wie ihr wollt.«
Rolf bedankte sich für ihr Angebot und berichtete noch einmal in aller Kürze, was geschehen war. »Das größte Problem haben
nicht Volker und ich«, erklärte er abschließend und wandte sich zu Sarah um, »sondern unser Gast. Sarah braucht eine sichere
Unterkunft. Wie du vielleicht schon von Volker gehört hast, gab es in Israel ein paar Schwierigkeiten.«
Regine begrüßte Sarah mit wachem Blick und bot ihr sogleich in spontaner Vertrautheit das Du an. Dann nahmen sie in einer
bequemen Ledergarnitur Platz.
Regine richtete ihr Wort ohne Überleitung an Sarah. »Volker sagte mir, du seiest Archäologin und habest in Israel eine sensationelle
Entdeckung gemacht?«
Sarah hielt dem grünen Katzenblick ihrer Gastgeberin mühelos stand, während sie noch überlegte, wo sie mit ihrer Geschichte
anfangen sollte.
Regine deutete ihr Schweigen falsch. »Oh, es tut mir leid«, sagte sie, während sie Tee servieren ließ. »Ihr beide steht unter
Schock, und ich bombardiere euch mit Fragen.«
Rolf, der offenbar froh war, sich einmal alles von der Seele reden zu können, was in den vergangenen eineinhalb Wochen auf
ihn eingedrungen war, begann unaufgefordert zu erzählen.
»Ihr habt was?« Regine von Brest war überaus erstaunt, als sie erfuhr, was sich in Israel zugetragen hatte. »Weißt du, was
das für unsere Arbeit bedeuten würde? Maria von Magdala? Pergamente über ihr Lebenswerk? Mich wundert es nicht, daß die Leiche
verschwunden ist und die israelische Regierung die Sache zum Staatsgeheimnis erklärt. Wer will denn wirklich etwas über diese
Frau wissen? Es sei denn, man ist völlig unbedarft und glaubt noch an das Gute in der Welt. Und dann ist
sie
auch noch mit ihr |151| verwandt?« Regine musterte Sarah noch einmal von Kopf bis Fuß. »Und ihr habt tatsächlich Beweise dafür?«
»Aber ja«, erwiderte Rolf ungeduldig. »Zuerst jedoch benötigen wir eine Bleibe, was zu essen und ein paar Kleider. Und da
wir nicht wissen, wer uns auf den Fersen ist, sollte alles geheim bleiben.«
Nur zwei Stunden später hatte Regine den dreien eine Penthousewohnung in Köln-Lindenthal zur Verfügung gestellt. Als sie am
Abend zu Besuch kam, saß Sarah bereits in einem separaten Büro an einem Schreibtisch vor ihrem Laptop und arbeitete an der
Übersetzung der Pergamente.
Regine erschien mit zwei Gläsern Rotwein in den Händen und schaute ihr interessiert über die Schulter. »Was machst du da gerade?«
»Ich analysiere die Texte. Es handelt sich um eine Art Tagebuch. Mirjam von Taricheae hatte allem Anschein nach eine Tochter
und wollte ihr ein Vermächtnis hinterlassen.«
»Weiß man, woran sie gestorben
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