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Die Gegenpäpstin

Titel: Die Gegenpäpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Treffen.«
    Einen Moment lang war Padrig versucht zu fragen, was der Grund für diese außergewöhnliche Einladung sein konnte, doch |162| Monsignore Lucera hatte sich bereits abgewandt und hastete mit großen Schritten dem Ausgang entgegen.
    Mit einem Stapel Kopien unter dem Arm und noch eiliger als sonst begab sich Padrig zum Arbeitszimmer seines Vorgesetzten.
    Erzbischof Pablo Mendez war ein schüchterner Mann, dessen spanischer Name nicht über seine philippinische Abstammung hinweg
     täuschen konnte. Wie Padrig gehörte er zum Orden der Franziskaner, doch im Gegensatz zu seinem irischen Büroleiter, der mehr
     einem Leistungssportler glich, stellte Mendez geradezu das Paradebeispiel eines den kulinarischen Genüssen zugetanen Mönchs
     dar. Wenn Mendez sein diplomatisches Lächeln aufsetzte, mit dem er stets versuchte, eine Atmosphäre der Harmonie zu schaffen,
     erinnerte er Padrig immer an das kleine, braunäugige Meerschweinchen eines früheren Klassenkameraden, dem ein paar Streicheleinheiten
     und ein voller Körnertrog vollends genügt hatten, um zufrieden zu sein.
    Widerspruch gehörte nicht zu den Stärken des Erzbischofs. Das bekam das gesamte Kurienbüro in schöner Regelmäßigkeit zu spüren,
     weil Mendez als zuständiger Vorgesetzter nicht in der Lage war, etwa die zahlreichen Amtshilfeersuchen anderer Dikasterien
     abzulehnen. Er wagte es noch nicht einmal in seiner Freizeit, den vorgeschriebenen schwarzen Talar für Erzbischöfe mit der
     violettfarbenen Borte und dem passenden Scheitelkäppchen gegen den Alltagshabit der Franziskaner zu tauschen.
    Nachdem Padrig an die offen stehende Mahagoniholztür geklopft hatte, trat er ein, ohne ein Wort der Zustimmung abzuwarten.
     Mendez saß an seinem Schreibtisch, mit dem Rücken zum Eingang. Nur sein violettes Scheitelkäppchen war über der Rückenlehne
     seines Bürosessels zu sehen.
    »Ich bringe Ihnen die gewünschten Unterlagen«, erklärte Padrig mit gedämpfter Stimme.
    Seltsamerweise reagierte Mendez nicht.
    |163| »Bruder Pablo?« fragte Padrig ein wenig lauter, obwohl Mendez trotz zahlreicher Wehwehchen, die ihn mit zunehmendem Alter
     plagten, nicht zur Schwerhörigkeit neigte.
    »Schließen Sie die Tür«, krächzte Mendez heiser, nachdem er sich offenbar von der Aussicht aus dem hohen Fenster auf die darunterliegenden
     Grünanlagen gelöst hatte. »Hat Kardinal Lucera Sie angesprochen?« Der Erzbischof wandte sich auf seinem Drehstuhl um und schaute
     ihn an wie ein gehetztes Tier.
    »Ja«, erwiderte Padrig, ohne die geringste Ahnung zu haben, was an diesem Umstand so aufregend sein sollte. »Er hat uns beide
     in sein Büro bestellt.«
    Mendez seufzte. Er goß sich ein Glas Mineralwasser ein und bedachte Padrig mit einem Blick, der fast mitleidig wirkte. »Setzen
     Sie sich«, sagte er verhalten. »Möchten Sie einen Kaffee?«
    Es kam nicht oft vor, daß der Erzbischof ihm etwas zu trinken anbot. Eher war es umgekehrt und Padrig kümmerte sich um die
     Zubereitung von Erfrischungen.
    »Nein, danke«, erwiderte Padrig lächelnd, während er sich ein wenig ungeduldig auf einem der gepolsterten Stühle niederließ.
     »Haben wir einen gravierenden Fehler bei der Abrechnung der letzten Dikasteriensitzung gemacht? Oder hat einer unserer Mitarbeiter
     die berühmten goldenen Löffel in den Privatgemächern des Heiligen Vaters geklaut?«
    »Der Kardinal Lucera hat einen Auftrag für Sie«, antwortete Mendez, ohne auf Padrigs scherzhafte Bemerkungen einzugehen. »Seien
     Sie auf alles vorbereitet! Mehr kann ich Ihnen leider nicht sagen. Holen Sie mich um kurz vor drei Uhr ab. Ich werde Sie begleiten.«
    Das Empfangszimmer von Monsignore Baptiste Lucera befand sich auf dem gegenüberliegenden Flur der Privatgemächer des Papstes
     und lag damit zwei Stockwerke über den Diensträumen des Erzbischofs. Mit seiner dunklen Mahagonivertäfelung wirkte das Domizil
     des Kardinals beinahe so düster wie der Ruf seines |164| Bewohners. Dessen erlesener Geschmack spiegelte sich im vornehmen Interieur und in ein paar klassischen Ölgemälden wider,
     deren wahrer Wert aber bei all dem Prunk kaum auffiel. Padrig dachte nicht zum ersten Mal, daß man mit dem Verkauf solcher
     Bilder vielen hungernden Menschen für mehr als ein Jahr zu essen geben könnte. Der Kardinal thronte hinter seinem mächtigen
     Schreibtisch wie ein grimmiger Fürst, der säumige Lehnsmänner zur Zahlung des Zehnten erwartete.
    »Setzen Sie sich«, gebot er seinen Gästen. Mit einer

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