Die Gegenpäpstin
Jaakov selbst am Shabbat für sie Sorge getragen
hatte und ihr zu Diensten gewesen war. Beides kam einer Todsünde gleich.
|243| Jaakov gab sich keinerlei Mühe, diesen Umstand zu leugnen. Die einzige Sorge, die ihn trieb, war die Sicherheit Mirjams. Was
mit ihm selbst geschehen sollte, kümmerte ihn nicht.
»Bindet ihn und werft ihn in den Kerker! Der Sanhedrin wird binnen drei Tagen das Urteil über ihn und die Hure seines Bruders
sprechen«, dröhnte die Stimme des Hohepriesters. »Die Vollstreckung des Urteils an Jaakov von Nazareth findet unverzüglich
nach der Verkündung statt und an Mirjam von Taricheae, sobald wir ihrer habhaft geworden sind.«
Ein Aufschrei ging durch die Menge. Jeder wußte, daß dieser Ausruf den sicheren Tod des Jaakov durch Steinigung zu bedeuten
hatte, und ohne einen römischen Statthalter, der normalerweise für die Gerichtsbarkeit in der Stadt und deren Umland die Verantwortung
trug, gab es außer dem Allmächtigen niemanden, der diesem unseligen Treiben ein Ende bereiten konnte.
|245| 29.
Februar 2007 – Verrat
Padrig setze leise einen Fuß vor den anderen, als er sich Sarahs Schlafzimmer näherte. Geräuschlos öffnete er die Tür gerade
so weit, um ihrem regelmäßigen Atem zu lauschen. Trotz der Dunkelheit konnte er sehen, daß sie reglos im Bett lag und offenbar
in einen tiefen Schlaf gefallen war.
Vorsichtig schloß er die Tür und schlich zurück ins Wohnzimmer. Im Kamin verglühte ein letztes Stück Holz und zerbrach in
knisternde Stücke, als er sich daranmachte, seinen Laptop auf den Couchtisch zu stellen, um ihn dann hochzufahren. Rasch stellte
er eine sichere Verbindung ins Internet her. Sein Herz begann zu pochen, während er begann, seinen Bericht für Erzbischof
Mendez zu schreiben. Was er ihm und damit auch Kardinal Lucera zu sagen hatte, kam einer Sensation gleich, und doch haderte
Padrig mit sich, ob er diese Information weitergeben sollte.
Den ganzen Abend hatte er über Sarahs Erklärungen nachgedacht. Während er einerseits den Erfolg ihrer Arbeit und den Nutzen
für die Beginen erkennen konnte, sah er gleichzeitig die Gefahr, die diese Wendung für den Vatikan mit sich brachte. Zum ersten
Mal mußte er Lucera recht geben. Wenn es den Frauen gelang, die Weltöffentlichkeit wachzurütteln, und die Mehrheit der Katholiken
zu der Erkenntnis käme, daß man die Frauen nicht länger außen vor lassen durfte, würde für den Heiligen Stuhl ein neues, bitteres
Zeitalter anbrechen. Und ob der Kirchenstaat diesen Umbau überleben würde, durfte stark bezweifelt werden. Die Zeiten waren
zu unsicher. Solche Experimente durfte man nicht erlauben, bevor man ihre Auswirkungen einschätzen konnte. Was wäre, wenn
sich die gesamte römisch-katholische Christenheit an diesen Fragen entzweien würde. Tradition birgt Sicherheit, hatte sein
Vater stets behauptet.
|246| Seine Gedanken drehten sich im Kreis. Was er zu tun gedachte, war Verrat, nichts sonst. Verrat an Sarah. Verrat an den Beginen
von Sankt Magdalena. Verrat an den Frauen überhaupt. Und wenn er seinen Auftraggebern verschwieg, was sich da für eine gefährliche
Entwicklung anbahnte, war er nicht minder ein Verräter.
Einer Erleuchtung gleich sah er die erhobenen Hände des Heiligen Vaters vor sich, wie dieser überzeugend für Toleranz und
Mitgefühl warb, die Rechte der Armen und der Leidenden in der Welt einforderte, dabei aber offenbar vergaß, daß er einer nicht
unerheblichen Anzahl derer, die ihm zujubelten, längst nicht ein gleiches Recht einräumte und ihnen mitnichten die gleiche
Toleranz entgegenbrachte.
Padrig blieb bei seiner Mission keine andere Wahl, als den goldenen Mittelweg einzuschlagen.
Verehrter Bruder Pablo,
ich möchte Sie bitten, meinen Brief als Appell an die Vernunft zu verstehen und zu überlegen, welche meiner Informationen
Sie an Monsignore Lucera übermitteln wollen.
Er hielt nachdenklich inne, dann begann er aufs neue.
Allem Anschein nach wurden im Januar dieses Jahres in Israel auf dem Jebel Tur’an in einem Höhlengrab die sterblichen Überreste
von Maria von Magdala und Jakob von Nazareth entdeckt. Darüber hinaus fand man bei den Toten Pergamente von unschätzbarem
Wert. Darin finden sich offenbar Hinweise, daß Maria von Magdala eine Apostelin Jesu Christi war und seine Lehre gleichberechtigt
neben den übrigen Aposteln verbreiten durfte. Es kommt einem weiteren Wunder gleich, daß bei der
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