Die geheime Braut
Werken Satans zu kämpfen. Die Schändung dieser jungen Frau spricht Bände. Wie muss jemand beschaffen sein, um sich an solch einem blühenden Leben zu vergreifen?«
»Bertram von Altenstein scheint dem Wahnsinn nahe, seit er von dem Fund unterrichtet wurde«, sagte Cranach. »Vom Kurprinzen weiß ich, dass mehrere Männer nötig waren, um ihn zu bändigen. Nun scheint er seinen Schmerz in Wein ertränken zu wollen. Doch wenn er wieder zu sich kommt, wird er nach dem Mörder seiner Verlobten suchen.« Sein Blick wurde stechend. »Ich werde alles tun, um ihn dabei zu unterstützen. Denn der Teufel, der das hier verbrochen hat, muss hängen. Je eher, desto besser.«
Hunzinger nickte.
»Ich bete, dass Ihr rasch Erfolg habt«, sagte er. »Denn wenn nicht – was hätte das für weitreichende Folgen für uns alle. Der kurfürstliche Hof könnte Wittenberg alle Mittel entziehen. Und das würde auch die Leucorea betreffen.«
Er schielte unsicher zu Pistor, der seinen Blick jedoch gelassen erwiderte.
»Was mich betrifft, geschätzter Rektor in spe, so werde ich dies allerdings nur von fern betrachten können«, sagte Pistor. »Ich muss Wittenberg verlassen, denn mich hat ein Ruf nach Trier ereilt, wo die philosophische Fakultät Verstärkung wünscht. Die Bücherkisten werden bereits gepackt. Doch meine besten Wünsche bleiben selbstredend bei Euch.«
Melanchthon räusperte sich unbehaglich.
»Wir sollten für die Tote beten«, sagte er. »Das steht jetzt an, Collega!«
»Wie recht Ihr doch habt!«, sagte Winsheim. »Seine Hoheit war so freundlich, mir diese Untersuchung zu gestatten. Sie mit Euch zu teilen diente lediglich einem einzigen Zweck: den fei gen Mörder zu fassen, der diese Schandtat begangen hat. Also seid wachsam und habt Eure Augen überall!«
Gemurmel erhob sich, das rasch anschwoll, weil jeder der Versammelten etwas dazu zu sagen hatte. Jan schlich sich mit seinem Skizzenbuch nach draußen. Nicht ohne Cranachs drän gende Blicke gespürt zu haben, die auf ihm lasteten.
Sie mussten reden, das wusste er.
Dringend – und nur zu zweit.
*
Zum Streit kam es schon nach den ersten Sätzen, und er ent zündete sich so heftig wie noch niemals zuvor. In der stickigen Farbenkammer flogen die Worte wie Pfeile zwischen ihnen hin und her.
»Ich hab es satt!«, schrie Jan. »Was soll noch alles passieren, damit Ihr endlich Vernunft annehmt?«
»Kapierst du das denn nicht?«, schrie Cranach zurück. »Das hier ist doch der Schlüssel zu allem!« Er deutete auf das Gemälde mit den zwei nackten Grazien. »M für Margaretha Relin und D für Dilgin von Thann. Mit eigenen Augen habe ich die blutigen Buchstaben in der Dachkammer des Frauen hauses gesehen. Und weißt du, was dort noch stand? K – zwei mal sogar!«
»K für Katharina? Der Mann mit der Maske hat doch Katha rina von Bora als dritte Grazie auf dem Gemälde verlangt«, sagte Jan. »Aber sie darf niemals gemalt werden, das ist Euch doch hoffentlich klar, sonst stirbt sie womöglich. Oder wollt Ihr die Lutherin auch bald irgendwo auffinden – aufgeschlitzt oder gerädert?« Er fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. »Wir müssen diesen Wahnsinn beenden«, sagte er. »Besser heute als morgen.«
»Ja, das werden wir«, bekräftigte Cranach. »Doch vorher muss das Bild fertig sein.«
»Das kann nicht Euer Ernst sein!«
»Denk doch einmal in Ruhe nach: Der Auftraggeber will das Bild haben. Folglich muss es zu einer Übergabe kommen. Und dann ist er fällig.«
»Wenn er die beiden Frauen auf dem Gewissen hat, ist er ebenso grausam wie unberechenbar«, sagte Jan. »Vielleicht ist er ja auch Relins Mörder – und lauert womöglich bereits auf das nächste Opfer. Offenbar ist er äußerst gerissen und schreckt vor nichts zurück. Was also macht Euch glauben, einen wie ihn übertölpeln zu können?«
»Gemeinsam sind wir klüger als er.«
»Wenn Ihr Euch da nur nicht täuscht! Er scheint ein Hurenwirt zu sein – und treibt sich gleichzeitig im Schloss herum? Solch ein Kunststück bringen nicht viele zustande.«
»Man muss ihm eine Falle stellen«, sagte Cranach. »Eine gut geplante, raffinierte Falle, die plötzlich zuschnappt. Doch dazu brauchen wir das Bild.« Er bückte sich, nahm ein paar Skizzen auf, die auf dem Boden lagen. »Wenn nicht Katharina, so wirst du eben eine andere Frau als dritte Grazie malen …«
»Vergesst es!«, schrie Jan. »Keine lebende Seele würde ich solch einer Gefahr aussetzen. Nicht einen Finger rühre ich
Weitere Kostenlose Bücher