Die geheime Braut
dass du mich zeichnest – ohne Kleider. So, wie ich jetzt bin.«
Er löste sich von ihr, nahm sein Skizzenbuch und griff zum Rötelstift.
Wie anziehend sie war!
Ihr Körper im Schein der Kerzen war ein geheimnisvolles Spiel aus Licht und Schatten: die Wölbungen und die Mulden, die sanfte Rundung des Hinterteils, die langen Beine, der Schoß.
»Zeig es mir!«, bat Susanna schließlich.
Er tat, was sie verlangte.
»Das bin nicht ich«, flüsterte sie.
»Nein, denn du bist noch viel schöner«, sagte Jan. »Ich werde dich so oft zeichnen, bis ich es richtig getroffen habe.«
Sie legten die Stirn aneinander und küssten sich lange.
»Es hat sich gelohnt, mich aus dem Luther-Haus davonzuschleichen«, sagte sie mittendrin. »Ich musste bei dir sein. Ich hätte es nicht mehr länger ausgehalten.«
Seine Hand glitt zu ihren Brüsten.
»Man darf sie nicht berühren«, sagte Susanna. »Nicht einmal beim Waschen. So haben wir es im Kloster gelernt. Keine Braut Christi darf das.«
»Aber dafür sind sie doch da«, sagte Jan. »Siehst du denn nicht, wie sie sich darüber freuen?«
Sie musste lächeln, weil ihre Brustspitzen klein und hart geworden waren.
»Ich muss dich immer anschauen«, sagte er.
»Hast du nicht schon genug Frauen in deinem Leben ge sehen?«, fragte Susanna.
»Was hilft das, wenn dein Herz immer nur nach der einen ruft?«
Seine Hände kosten und streichelten sie, zärtlich, erfahren. Schließlich kühner.
Susannas Atem ging schneller. Eine Welle von Lust stieg in ihr auf, gegen die sie erst anzukämpfen versuchte, der sie sich aber schließlich hingab.
»Ich werde nichts tun, was du nicht auch willst«, sagte Jan. »Vertrau mir! Und wenn es dir wehtun sollte …«
Susanna schüttelte den Kopf, schob seine Hand zur Seite und begann zu weinen.
»Was hast du, Liebes?«, fragte Jan. »Bin ich dir zu unge duldig?«
»Ich kann es dir nicht sagen«, flüsterte sie. »Es hat mich beinahe umgebracht …« Sie setzte sich auf. Bedeckte ihr Gesicht mit den Händen.
»Jemand hat dir sehr wehgetan«, sagte er. »Lass mich deine Wunden heilen – ein ganzes Leben lang!«
»Ich habe mich gewehrt«, sagte Susanna tränenerstickt. »So sehr gewehrt! Aber er war stärker als ich. Geschrien habe ich, bis mir die Stimme brach. Seitdem kann ich nicht mehr singen. Irgendwann bekam ich die Gabel zu fassen, die aus meinem Bündel gerutscht sein musste. Da hab ich zugestochen, direkt am Hals …« Sie weinte so heftig, dass sie nach Luft ringen musste. »Ich dachte, ich hätte ihn getötet. Doch er lebt – und er ist hier in Wittenberg.«
»Du hast ihn hier gesehen und wiedererkannt?«, fragte Jan. »Wer ist es? Ich reiße ihm den Kopf ab.«
»Wiedererkannt – ja«, sagte Susanna. »Gesehen – nein.«
»Was soll das heißen?«
»Er trägt eine Maske«, sagte sie. »Aber ich kenne seinen Geruch. Er ist der Mann, der mich überfallen hat, als ich von dir zurück ins Luther-Haus wollte. Umbringen will er mich – und er hat es erst vor Kurzem ein zweites Mal versucht. In den Schweinekoben hat er mich gelockt, mit Hansis Stoffhasen, der vor dem Gatter lag. Ich hab den Kleinen schon zertrampelt unter den Hufen des Ebers gesehen, deshalb bin ich hineingegangen. Dabei war ich es, die getötet werden sollte …«
Er starrte sie fassungslos an. »Wieso weiß ich davon nichts?«
Susanna griff nach seiner Hand.
»Ich glaube, die Gottesmutter hat mich beschützt. Sonst wäre ich heute nicht mehr hier.«
Jan entzog ihr die Hand, so aufgeregt war er auf einmal.
»Warum hast du nicht schon früher den Mund aufgemacht?«, rief er. »Und dich mir anvertraut. Dann gäbe es jetzt vielleicht drei Tote weniger.«
»Du glaubst, er hat auch Margaretha und Dilgin auf dem Gewissen?«
Bevor Jan antworten konnte, flog die Tür zu seiner Kammer auf. Susanna zog das Laken über sich.
Bertram von Altenstein rannte herein, das Schwert in der Hand, hinter ihm vier bewaffnete Gardisten.
»Greift ihn, Männer!«, schrie er. »Bindet ihn! Am liebsten würde ich dieses Schwein gleich auf der Stelle abstechen, aber ich will erst noch hören, wie er es gemacht hat.«
Sie rissen Jan aus dem Bett, der sich vergeblich zu wehren versuchte, und fesselten seine Hände.
»Lasst mich los!«, rief er. »Seid Ihr wahnsinnig geworden? Ich hab mit dem Mord an Dilgin nichts zu tun.«
»Nein?« In Altensteins Augen war ein seltsames Flackern. »Dann hat der Cranach-Junge also dreist gelogen, und sie war gar nicht hier bei dir in ihrer letzten
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