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Die geheime Braut

Die geheime Braut

Titel: Die geheime Braut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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was zustoßen, so werde ich keinen einzigen Tag meines Lebens mehr froh sein können.«
    So ernsthaft hatte Susanna das gesagt, so voller Inbrunst, dass sie damit Cranachs Herz erreichte.
    »Du liebst ihn?«, fragte er um einiges sanfter.
    Susanna nickte.
    »Aber du weißt schon, auf wen du dich einlässt? Seman war noch nie ein Kind von Traurigkeit. Schönen Frauen kann er nichts abschlagen.«
    »Ich glaube an ihn«, sagte sie. »Und an unsere Liebe. Jan könnte sie alle haben und hat sich trotzdem für mich entschie den. Doch dafür muss er leben. Helft mir, Meister Cranach, ich flehe Euch an – sie dürfen ihm nichts antun!«
    Cranach sah sie prüfend an, dann nickte er.
    »Wenn das so ist, will ich dir etwas zeigen«, sagte er und griff nach dem Leuchter. »Komm mit!«
    Von dem großen Malraum mit seinen zahlreichen Staffeleien führte eine schmale Tür in eine Nebenkammer. Verschiedenste Gerüche kitzelten Susannas Nase, als sie sie betreten hatte, was Cranach zu bemerken schien.
    »Farben. Pigmente. Öle. Lösungsmittel – was immer du willst! Unsere Kunst spricht alle Sinne an«, sagte er. »Man kann sie nicht nur sehen, sondern auch riechen. Und manchmal ist sie ein Handwerk wie jedes andere auch.«
    Sie waren vor einer kleinen Staffelei angelangt. Ein helles Leinentuch verbarg das Gemälde, das auf ihr stand.
    Langsam zog er es herunter.
    »Was siehst du?«, fragte er. »Sag es mir!«
    Die Zunge klebte Susanna am Gaumen, so trocken war ihr Mund auf einmal, doch sie zwang sich, den Blick nicht abzuwenden, wie sie es am liebsten getan hätte, sondern genau hinzuschauen und zu antworten.
    Das Gemälde war klein und strahlte, obwohl es unvollendet war, eine erstaunliche Intimität aus. Sie kam sich vor, als hätte sie einen geheimen Raum betreten und müsste dagegen ankämpfen, sich nicht wie ein Eindringling zu fühlen.
    »Zwei Frauen«, sagte sie. »Nackt bis auf diese durchsichtigen Schleier um die Lenden, die nichts verhüllen, sondern sie nur noch nackter wirken lassen. Die auf der linken Seite scheint sich ein wenig zu schämen, obwohl man sie nur von hinten sieht. Sie hat einen jungen, kräftigen Körper – und das träumerische Gesicht von Margaretha Relin.«
    »Gut erkannt«, lobte Cranach. »Sie stellt Aglaia dar, das bedeutet ›Die Glänzende‹. Mach weiter!«
    Susanna warf dem Meister einen raschen Blick zu. Was hatte er mit ihr vor?
    Was auch immer es sein mochte, sie würde ihm gewiss nicht offenbaren, dass sie diesen Teil des Gemäldes bereits einmal gesehen hatte – und in welche Seelenqualen sie der Anblick damals gestürzt hatte. Und ebenso wenig würde sie verraten, was die Behauptung Altensteins in ihr ausgelöst hatte, seine Verlobte habe ihre letzte Nacht bei Jan verbracht.
    All das ging nur sie etwas an – und Jan, falls sie ihn jemals wieder lebendig zu Gesicht bekommen würde.
    »Die Frau auf der rechten Seite …«, Susanna musste erneut schlucken, » … sieht kühn und herausfordernd aus. Als wollte sie die ganze Welt bezwingen. Sie ist nicht wirklich schön, da für stehen die Augen zu weit auseinander, und ihr Kinn ist viel zu spitz. Aber man muss sie dennoch anschauen, denn ihre Haltung mit dem elegant angewinkelten Bein fesselt den Blick. Wohin geht ihr rechter Arm?«
    »Er wird die mittlere Gestalt umfangen, sobald die einmal gemalt ist«, sagte Cranach. »Die drei Grazien sind Töchter des Zeus – und Schwestern.«
    »Ich kenne die rechte. Ich habe sie bei Margarethas Toten messe vor der Kirche gesehen.« Susannas Stimme war nur noch ein Flüstern. »Es ist die Hofdame der Kurprinzessin, Dilgin von Thann.«
    »Ja, das ist sie«, sagte Cranach. »Dargestellt als Grazie Thalia, was ›Festfreude‹ bedeutet.«
    »Hat Jan die beiden gemalt?«, fragte Susanna und senkte den Kopf, als Cranach nickte.
    »Den letzten Schliff erhalten sie allerdings erst von meiner Hand«, sagte er. »Nicht anders verfahre ich mit allen Bildern, die meine Werkstatt verlassen, selbst wenn die Gesellen eine gute – nun sagen wir – Vorarbeit geleistet haben. Goldfarbe, Hautton, Licht und Schatten, all das muss bis ins kleinste Detail stimmig sein. Besonders auf den Firnis kommt es an, denn der kann am Schluss noch alles verderben. Nur wenn jedes Detail perfekt ist, ist ein Gemälde schließlich auch meiner Signatur würdig: die geflügelte Schlange, die man in ganz Europa kennt und schätzt.«
    »Und diese Lücke in der Mitte – wer soll dafür Modell stehen?«, fragte Susanna.
    Cranach

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