Die geheime Braut
matten Elfenbeinton, den auch die Haut der beiden Schwestern besaß. Auch ihr Dekolleté schmückte er mit einer breiten Gliederkette aus rötlichem Gold; auch um ihren Hals legte er zusätzlich ein schmales gol denes Kettenband, das dessen Fragilität unterstrich.
Die Arme malte er schlank und wohlgeformt, weniger flei schig als die ihrer Nachbarin zur Linken. Besondere Mühe gab er sich mit den Händen, die den durchsichtigen Schleier leicht geziert hielten, als wollten sie ihn falten. Die Schenkel beließ er so kräftig, wie es der wahren Natur entsprach, ebenso wie die zarte Behaarung des Schoßes, was entgegen der herrschenden Mode war, die den regelmäßigen Einsatz von Wachs und Öl gebot und glatte Haut am ganzen Körper verlangte.
Mit jedem Pinselstrich schälte sich immer mehr Susanna heraus, deren Gesicht ihn schließlich lieblich und fragend zugleich anzusehen schien.
Cranach trat zurück und seufzte.
»Das also ist es, was du seit Wochen vor mir verbirgst«, hörte er seine Frau sagen, die plötzlich hinter ihm stand. »Ich wusste, dass es etwas gibt, das du mir vorenthältst. Ich hatte nur keine Ahnung, was es sein könnte.«
»Barbel!« Er schoss zu ihr herum. »Schau nicht hin! Dieses Bild ist nicht für fremde Augen bestimmt.«
Warum hatte er sich nicht in der Farbenkammer einge schlossen, so wie er es Jan die ganze Zeit über befohlen hatte? Das hatte er jetzt davon, dass er zum Malen die Bequemlichkeit seiner Privaträume gewählt hatte.
»Weshalb?« Sie kam langsam näher. »Es zeigt drei schöne junge Frauen im Zustand der Unschuld.«
»Es ist ein ganz besonderer Auftrag.« Jedes Wort löste sich so schwer wie ein Felsbrocken von seiner Zunge.
»Das will ich meinen«, sagte Barbara. »Die Nackte in der Mitte ist mir erst heute Morgen auf meiner eigenen Treppe begegnet, und in der Dame zur Linken erkenne ich die tote Margaretha Relin.«
»Die zur Rechten lebt ebenfalls nicht mehr.« War das wirk lich seine Stimme, so leise und traurig? »Es ist Dilgin von Thann. Die Hofdame der Kurprinzessin, die man begraben in einer Kiste gefunden hat.«
»Du hast viel Geld für das Bild bekommen?«, fuhr sie fort. »Sonst hättest du es wohl nicht so gemalt.«
Barbaras Treffsicherheit war beachtlich. Sie erstaunte ihn noch immer, nach all den Jahren.
»Bisher erst einen großzügigen Abschlag«, räumte er ein. »Womöglich bleibt es dabei. Oder ich muss sogar den zurückzahlen.«
»Ich weiß schon lange, dass ihr solche Bilder malt«, sagte Barbara. »Und warum auch nicht, wo die Heiligen und die gro ßen Altargemälde jetzt immer seltener verlangt werden? Du hast sie stets vor mir verborgen, doch diese Mühe hättest du dir sparen können. Hast du Angst gehabt, ich könnte eifer süchtig werden?«
Sie strich sich das helle Haar aus der Stirn.
»Dabei weiß ich doch ganz genau, warum du es tust. Wir brauchen das Geld – für die Kinder, das Essen, die Werkstatt. Für neue Häuserkäufe, die unseren Besitz und unser Vermögen abrunden. Doch bisher musste niemand dafür sterben, oder doch?«
»Nein«, sagte er. »Niemals. Alle, die uns je Modell gestanden haben, sind am Leben. Oftmals haben wir nur Schablonen verwendet oder verschiedene Figuren in eine gegossen. Keiner der Käufer hat sich jemals daran gestoßen.«
»Aber dieses Mal ist es anders«, sagte Barbara. »Und wird deshalb das Geld ausbleiben?«
»Bei diesem Auftrag bin ich offenbar an einen Wahnsinnigen geraten. Er hat bestimmte Frauen verlangt, und offensichtlich tötet er sie, nachdem sie gemalt wurden. Jetzt müssen wir ihn kriegen, sonst macht er womöglich weiter.«
Barbara trat ein Stück zurück und legte den Kopf zur Seite.
»Ist er der Mörder, den du bislang vergeblich gesucht hast?«
»Gut möglich«, sagte er. »Ja, ich glaube, er ist es.«
»Wieso wurde dann Jan heute abgeführt?«, fragte sie weiter. »Mitten in der Nacht wie ein Schwerverbrecher? Ist er nicht der beste Geselle, den du seit Langem hattest, nicht nur, was seine Fähigkeiten als Maler betrifft? Ich mag ihn. Die anderen respektieren ihn. Und Luc blickt regelrecht zu ihm auf. Ihn zu verlieren wäre ein großer Verlust – für uns alle.«
Cranach rang um die richtigen Worte.
»Da magst du durchaus recht haben. Aber leider hat Seman nicht nur ein freches Maul, sondern sich zudem offenbar auch einen Mächtigen im Schloss zum Feind gemacht: Altenstein, den Verlobten Dilgins, ausgerechnet jenen Mann, dem der Kurprinz mich zur Seite gestellt hat. Ich
Weitere Kostenlose Bücher