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Die geheime Braut

Die geheime Braut

Titel: Die geheime Braut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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das Leben hat es anders mit mir gemeint. Jetzt habe ich Jan gefunden, den ich aus ganzem Herzen liebe – und darf ihn doch nicht schon wieder verlieren! Nur deshalb lasse ich zu, dass Meister Cranach mich als dritte Grazie malt: um den Maskenmann zu Fall zu brin gen, der mich geschändet und die anderen Frauen grausam ermor det hat.
    Susanna spürte, wie sie langsam ruhiger wurde. Die Gottesmutter hatte ihre Bitten gehört, so fühlte es sich jedenfalls an.
    Ob sie sie auch erhört hatte?
    Plötzlich drang ein jämmerliches Fiepen an Susannas Ohr.
    Es kam aus einem groben Sack, der sich zwischen Sandrohr, Rispengräsern und wilder Sumpfkresse verfangen hatte und halb im Wasser dümpelte.
    Sie lief zu der Stelle und öffnete mit einiger Mühe den Strick, der den Sack verschloss.
    Ein kleiner Hund lag zwischen zwei großen Steinen, fast noch ein Welpe, mit klitschnassem sandfarbenen Fell, das sich kaum von dem Rupfen abhob.
    Sie zog ihn vorsichtig heraus. Seine dunklen Augen waren offen, doch er schien zu schwach, um sich zu bewegen.
    Kurzentschlossen nahm Susanna ihren Rock zu Hilfe und rubbelte den Kleinen ab, bis er wacher wirkte. Seine kurze Rute fing an, sich zu bewegen, als wollte er das wiedergewonnene Leben freudig begrüßen.
    Susanna setzte sich an die Böschung und hielt den kleinen Hund eine ganze Weile in ihrem Schoß, damit er lernen konnte, ihr zu vertrauen.
    Irgendwann streckte er seine rosige Zunge heraus und begann ihre Hand zu lecken.
    Spätestens da war Susanna klar, dass er sie begleiten würde.
    Sie nahm ihn auf den Arm und machte sich auf den Weg zum Luther-Haus.
    Unterwegs versuchte sie, sich die passenden Argumente zu rechtzulegen, doch welche wären das schon gewesen, ange sichts dessen, was Jan bevorstand?
    Sie würde die Wahrheit sagen, nichts als die Wahrheit, das beschloss sie bei sich, als das ehemalige Schwarze Kloster in Sicht kam.
    Doch irgendetwas war anders als gewöhnlich.
    Normalerweise hätte längst Rauch aus dem Schornstein steigen müssen, weil zu dieser Zeit in der Regel der Ofen für das Frühstück angeheizt wurde, aber der Schornstein war kalt und tot.
    Ein seltsames Gefühl überkam Susanna, als sie die Schwelle überschritt. Sollte sie den Hund lieber in ihre Kammer bringen und besser erst später der Familie präsentieren?
    Als Erstes erblickte sie Muhme Lene, die eine seltsam ab wehrende Geste machte und in Richtung Küche davonhum pelte.
    Als Nächstes erschien Bini mit rot geweinten Augen, die die Schultern hochzog und sofort wieder resigniert fallen ließ, als gäbe es nichts mehr zu sagen. Hinter ihr Katharina, die Susanna anstarrte wie eine Erscheinung.
    »Wo warst du?«, fragte sie heiser.
    »Bei Jan«, erwiderte Susanna mit fester Stimme. »Im Cranach-Haus. Sie haben ihn …«
    »Mein Kind stirbt – und du hurst ungeniert herum?« Es klang wie ein Hilfeschrei.
    »Elisabeth ist tot? Wann ist sie gestorben?« Erschrocken ließ Susanna den Hund fallen, der sofort etwas zu riechen schien, das ihn unaufhaltsam in Richtung Küche trieb.
    Luther, der mit wächsernem Gesicht und schweren Lidern die Treppe herunterkam, wäre um ein Haar über ihn gestolpert.
    »Pass doch auf, du kleiner Tölpel!«, rief er. »Was hast du über haupt hier bei uns zu suchen? Lauf nach Hause. Unser liebes, liebes Kind ist tot. Wir haben jetzt andere Sorgen.«
    Das Stichwort für Hansi, der seinem Vater gefolgt war.
    »Tölpel, Tölpel!«, rief er, ließ seinen Hasen fallen und packte den Hund. Ganz fest drückte er ihn an seine Brust, was das Tier sich erstaunlicherweise ohne Gegenwehr gefallen ließ. »Hansis Tölpel!«
    *
    Die Gestalt der Euphrosyne gelang ihm besser als vieles, was er in letzter Zeit angefangen hatte. Kaum hatte Cranach sich in das Bild vertieft, konnte er drauflosmalen, ohne Anstren gung, ohne Kraftaufwand, so wie er es früher gehalten hatte. Auf diese Weise waren die großen Gemälde entstanden, die ihn in ganz Europa berühmt gemacht hatten: Landschaften, Stillleben, Porträts und Antikendarstellungen, nach denen Herrscher und Höfe dürsteten.
    Während sein Blick immer wieder auf Jans Zeichnungen fiel, die Susanna ihm gegeben hatte, löste seine Vorstellungskraft sich zunehmend von der Vorlage. Jetzt schien die junge Frau direkt zu ihm zu sprechen, die immer mehr Gestalt an nahm. Die Dritte war die ausdrucksstärkste der drei Zeustöchter, weil sie sich dem Betrachter in ihrer anmutigen Nacktheit ungeniert von vorn präsentierte.
    Cranach gab ihrem Körper den

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