Die geheime Braut
sollte ihn mäßigen, und das schien zunächst auch zu gelingen, doch dann ist er plötzlich ausgeschert. Einer unserer Söhne muss Altenstein gesteckt haben, dass Dilgin heimlich bei Seman war. Ich weiß gar nicht, wie der Junge darauf kommt. Mir jedenfalls hat er kein Wort davon gesagt.«
»Mir auch nicht«, sagte Barbara. »Aber ich weiß auch so, dass es nur Hans gewesen sein kann. Er geht längst eigene Wege, von denen niemand etwas wissen soll. Und eines Tags wird ihm sein Neid auf Luc noch das Genick brechen. Er kann es nicht ertragen, dass sein kleiner Bruder so talentiert ist – und dass Jan das erkannt und nach Kräften gefördert hat.«
»Ich werde beim Kurprinzen vorsprechen und ihm sagen, wie mein Plan lautet: den wahren Mörder mithilfe einer List dingfest machen. Dann wird er Seman wieder freilassen – das muss er doch!«
Ihr Gesicht veränderte sich, wurde auf einmal klein und spitz.
»Aber du wirst dich dabei nicht selbst in Gefahr begeben?«, sagte sie. »Für meinen Geschmack steckst du ohnehin schon viel zu tief mit drin. Du hättest vorsichtiger sein müssen, von Anfang an. Warum hast du nicht beizeiten auf mich gehört? Die Kinder und ich, wir brauchen dich, vergiss das nicht!«
»Du musst keine Angst haben«, sagte er. »Nichts auf der Welt ist mir wichtiger und heiliger als meine Familie.«
Barbara nickte, als hätte sie mit dieser Antwort gerechnet.
»Was schaust du eigentlich die ganze Zeit so seltsam drein?«, brach es aus Cranach hervor.
»Ich weiß nicht so recht«, erwiderte sie, ohne den Blick von dem Gemälde zu wenden. »Irgendetwas an den Proportionen der Mittelfigur irritiert mich.«
»Welche Proportionen?«, wiederholte er gereizt. »Ich weiß nicht, was du hast. In meinen Augen sind sie perfekt.«
»Du bist der Maler.« Inzwischen schaute sie wieder gerade aus, was ihn seltsamerweise erleichterte. »Und die Luther-Magd ist eine schöne Frau.«
Barbara raffte ihren Rock und ging zur Tür. Plötzlich blieb sie noch einmal stehen und drehte sich zu ihm um.
»Jetzt weiß ich, was es ist«, sagte sie. »Susannas Kopf ist im Vergleich zum Körper zu klein geraten. Und die Frisur mit den geflochtenen Schnecken unterstreicht das sogar noch. Sie sollte vielleicht einen Hut tragen.«
»Einen Hut? Aber es handelt sich doch um die Grazie Euphrosyne, eine Zeustochter und Halbgöttin!«
»Und wenn schon! Hör wenigstens ein einziges Mal auf mich. Mit einem Hut auf dem Kopf würde sie besser auffallen. Mal ihr einen weinroten Hut, Lucas!«
*
Els hatte ihr kostbares Lavendelöl gebracht, Lore ein Quäntchen Rosenwasser. Als am hilfreichsten jedoch erwies sich die dicke Isolde, die geistesgegenwärtig breite Leinenstreifen gegen Griets Wange presste, bis die Blutung endlich gestillt war. Sie allerdings wieder abzulösen, gestaltete sich schwieriger als gedacht, denn durch Sekret und Wundblutung waren sie auf der Wange wie festgefressen.
»Wenn ich jetzt zu stark reiße, geht alles wieder auf«, sagte Isolde. »Wir müssen den Bader holen. Und noch besser den Medicus. Sonst wirst du dein hübsches Gesicht für immer verlieren.«
»Das habe ich bereits.«
Griet schleuderte ihren Quecksilberspiegel, der ihr so viele Jahre gedient hatte, auf den Boden, wo er in zahllose Splitter zerbrach.
»Der Teufel hat mich gezeichnet. Soll die Welt ruhig sehen, was er angerichtet hat!«
Lore versuchte, die Splitter aufzulesen, gab aber bald resigniert auf.
»Du kannst noch viel kränker werden und sterben«, sagte sie. »Das habe ich mehr als einmal gesehen – bei sehr viel kleineren Verletzungen. Wenn Blut fließt, so ist das viel gefährlicher als Husten und Heiserkeit. Was hast du denn nur getan, dass man dich so schrecklich zugerichtet hat? Und wer war dieser Teufel?«
Der Patron, wollte Griet schon schreien und presste dann doch im letzten Moment die Lippen aufeinander, ohne dass ihr auch nur ein Ton entschlüpft wäre.
Marlein befand sich im Luther-Haus. Hatte der Patron auch das heimlich beobachtet, ohne dass sie es mitbekom men hatten?
Und was sie betraf: Würde er zurückkommen, um sein Werk zu vollenden?
In dem Moment, in dem sie redete, setzte sie auch das Leben der anderen Frauen aufs Spiel. Was nichts anderes bedeutete, als dass sie schweigen musste – so lange wie nur irgend möglich.
»Du weißt, wie manche Männer sein können«, sagte sie scheinbar leichthin, während ihre riesige Wunde brannte, als habe jemand Salz hineingestreut. »Ein falsches Wort, eine ver
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