Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die geheime Braut

Die geheime Braut

Titel: Die geheime Braut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
Vom Netzwerk:
immer wieder darüber. Überhaupt schien der Reformator Huren regelrecht zu hassen. Rädern solle man sie und aus der Stadt treiben, das hatte sie ihn schon von der Kanzel wettern hören – aber wo sollten dann bloß die Männer Wittenbergs mit all ihren Wünschen, Sehnsüchten und Begehrlichkeiten hin?
    Sie steckte den Schlüssel ins Schloss.
    Er passte perfekt. Nichts anderes hatte sie erwartet.
    Als sie ihn langsam umdrehte, klang es, als stieße jemand einen tiefen Seufzer aus.
    Obwohl sie noch immer allein da oben stand, fühlte sie sich plötzlich beobachtet.
    Waren die Augen des Patrons doch überall, wie er behauptete?
    Stell dich nicht so an!, ermahnte sie sich. Er ist auch nur ein Mensch. Und kann nicht an zwei Orten gleichzeitig sein.
    Dennoch hielt sich ein mulmiges Gefühl.
    Sie schob die Schultern zurück, packte den Leuchter in ihrer Linken fester und schritt über die Schwelle.
    Zu ihrer Überraschung war der längliche Raum leer bis auf einen schäbigen Hocker, zumindest glaubte sie das im ersten Augenblick. Als sie weiterging, stieß ihr Holzschuh gegen etwas, das umfiel und scheppernd zerbrach.
    Der Schreck fuhr ihr in alle Glieder.
    Jetzt würde der Patron unweigerlich mitbekommen, dass jemand sein strenges Verbot missachtet und heimlich eingedrungen war – und was dann?
    Sie stellte den Leuchter auf dem Hocker ab und bückte sich rasch, um den entstandenen Schaden zu begutachten. Vor Erleichterung hätte sie beinahe aufgeschrien. Denn was da gerade zu Bruch gegangen war, war nichts anderes als einer jener Weinkrüge, die sie dutzendweise in der Küche hatte, und damit leicht ersetzbar.
    Griet sammelte die Scherben behutsam ein und legte sie ebenfalls auf dem Hocker ab, bis sie plötzlich einen jähen Schmerz verspürte.
    Sie war unvorsichtig gewesen und hatte sich geritzt. Ein langer Riss an ihrem Zeigefinger begann heftig zu bluten.
    Kurz entschlossen steckte sie diesen in den Mund.
    Bloß keine verräterischen Spuren hinterlassen!
    Als das Bluten gar nicht aufhören wollte, riss sie einen Streifen von ihrem Unterrock ab und wickelte ihn mehrfach um die Wunde.
    Jetzt wollte sie nur noch raus, den Krug rasch ersetzen und dann in ihr Bett sinken, um alles zu vergessen.
    Sie war gerade dabei, die Scherben vorsichtig in ihren Rock zu schichten, als ihr Blick auf die Wand über ihr fiel.
    Sie kniff die Augen zusammen.
    Träumte sie – oder war es wirklich wahr, was sie da sah?
    Ein D stand da. Und es war mit Blut geschrieben, das erkannte sie, als sie näher kam.
    Griet war keine Leuchte im Lesen, doch die Buchstaben kannte sie alle.
    Sie fuhr herum.
    Ein übergroßes blutiges M verunzierte die gegenüberliegende Wand.
    Am hässlichsten gezeichnet aber waren die rauen Flächen neben dem schrägen Fenster. Gleich zweimal prangte dort ein riesiges K, und es sah aus, als würde das Blut noch herunterrinnen, so frisch wirkte es.
    *
    »Das hättest du niemals tun dürfen«, sagte Susanna, als sie die Laute zurück in ihre Kammer brachte. »Was hast du dir nur dabei gedacht? Hast du gesehen, wie sie dich angeschaut hat? Katharina hat dir kein einziges Wort geglaubt.«
    »Ich musste es tun«, widersprach Bini. »Wäre die kleine Elisabeth sonst zur Ruhe gekommen? Keines der Kräuter und keine der Tinkturen, mit denen sie das arme Würmchen den ganzen Tag traktiert haben, hat es geschafft – erst dein Spiel!«
    Auf einmal hatten sie dringend nach Susanna gerufen. Bini war schon da gewesen, die Laute in der Hand, die sie ihr schweigend entgegengestreckt hatte. Es war keine Zeit geblieben, um das Instrument ausführlich zu stimmen.
    »Spiel!«, hatte Katharina mit blassen Lippen gebeten. »Um des gütigen Gottes willen – spiel!«
    Seltsam, die Saiten nach der langen Enthaltsamkeit wieder zu berühren! Bei den ersten Anschlägen waren Susannas Finger noch unsicher und steif. Dann aber hörte sie auf, sich innerlich zu wehren, und die sanfte, helle Melodie eines alten Marienliedes erfüllte das Krankenzimmer, bis die Augen der Kleinen schließlich zufielen und sie friedlich schlief.
    Alle schienen sich plötzlich zu beruhigen: Barbara Cranach, deren Anweisungen immer knapper und schärfer geworden waren, weil keines von ihren Rezepten und Mittelchen richtig fruchten wollte, Muhme Lene, die auf einmal nicht mehr ganz so alt und erschöpft aussah, auch Luther, der immer wieder seine Schreibstube verlassen hatte, um nach der Tochter zu sehen, und sogar Hansi hörte mit seinem Wüten und Geplärre auf, weil

Weitere Kostenlose Bücher