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Die geheime Braut

Die geheime Braut

Titel: Die geheime Braut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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stumm. Schütze mich vor ihm! Lass nicht zu, dass er mich so verletzen kann!
    Doch das Bild des mageren, zerlumpten Mädchens, mit dem er sich inniglich mitten auf dem Markt geküsst hatte, ohne sich um irgendjemanden zu scheren, wollte sich nicht vertreiben lassen.
    Bislang sind sie alle noch immer freiwillig zu mir gekommen .
    Susanna empfand Scham, dass dieser Satz ihr ausgerechnet in der Kirche wieder einfiel, aber sie konnte nichts dagegen tun.
    Ja, sie beneidete das junge Geschöpf um seinen Mut. Und verabscheute es im gleichen Moment wegen der so dreist zur Schau gestellten Schamlosigkeit.
    In ihrem Klosterleben hatte es solch zwiespältige Gefühle nicht gegeben, lediglich eine unbestimmte Sehnsucht, die in den Jahren des Heranwachsens entstanden und später stärker geworden war.
    Sie hatte von Liebe und Nähe geträumt – bis jener furchtbare Abend in Leipzig alles in ihr ausgelöscht hatte.
    Zumindest war Susanna überzeugt davon gewesen.
    Aber seit sie in Wittenberg war, kam alles wieder in ihr hoch – das Schöne ebenso wie das Schreckliche.
    Was sollte sie tun?
    Heute leuchtete kein freundlicher Strahl auf, der das Kirchenschiff erhellt und ihr Mut gemacht hätte.
    Susanna betete ein letztes Ave Maria und erhob sich langsam.
    Sie war unter dem Schutzmantel der Himmelskönigin, daran zweifelte sie keinen Augenblick.
    Doch den Wirrwarr in ihrem Herzen musste sie ganz allein lösen.
    *
    Der kleine Saal in der Leucorea war neu getüncht und der Geruch nach frischer Farbe noch immer stechend.
    »Hier stinkt’s ja schlimmer als im Materiallager meines alten Freundes Cranach«, sagte Luther, kaum hatte er Platz genommen, naserümpfend. »Meinem empfindlichen Magen tut das gar nicht gut.«
    »Was soll da ich erst sagen!« Melanchthon ließ sich erschöpft auf den Stuhl neben Luther fallen. »Die halbe Nacht hab ich nicht geschlafen, weil meine Kathi unruhig im Haus herumgewandelt ist, als hätte sie einen Bienenstock im Hin tern. Ich bin so müde, dass mir schon im Sitzen die Augen zufallen.«
    »Wenn die Herren freundlicherweise nicht ganz so empfindlich sein wollten!«, ließ Hunzinger, der Ordinarius für Mathematik, sich vernehmen. »Die Räume sind renoviert, weil unsere Studentenzahlen sich erfreulich entwickeln. Wittenberg kommt offenbar in Mode – in ganz Europa. Aber Gunckels Fallsucht schreitet unaufhaltsam voran. Und wenn der Fisch erst am Kopf zu stinken beginnt, ist alsbald auch der Rest nicht mehr zu retten. Wir brauchen einen neuen Rektor, besser heute als morgen.«
    »Wir könnten Schöneberg nehmen«, schlug Melanchthon vor. »Wer die Untiefen der Scholastischen Theologie beherrscht, ist gewiss auch in der Lage, weise Entscheidungen für Lehrkörper und Studierende zu treffen.«
    »Ich bin eher für Block, unseren Moralphilosophen«, sagte Hunzinger. »Schon sein Großvater hat sich sehr für die Leucorea eingesetzt …«
    Luthers aufgeregtes Gefuchtel ließ ihn innehalten.
    »Und wenn du es noch einmal machst, mein teurer Schwarz erd?«, sagte dieser, an Melanchthon gewandt. »Während deiner Amtszeit wusste ich unsere Fakultäten in den allerbesten Händen.«
    »Keinesfalls!« Wie ein Blitz war der Angesprochene von seinem Stuhl aufgefahren. »Die Fertigstellung der hebräischen Grammatik verlangt meinen ganzen Einsatz. Soll der Druck vielleicht noch einmal verschoben werden? Unser Haus braucht ein neues Dach und wird zudem schon bald von neuem Kindergeschrei erfüllt sein – nein, Martin, das kannst du beim besten Willen nicht von mir verlangen!«
    Schweigen breitete sich aus, das rasch lastend wurde.
    »Warum dann eigentlich nicht Titus Pistor?« Diesen Vorschlag unterbreitete Winsheim, Professor für Experimentelle Anatomie. »Er kann scharfsinnig denken, er kann reden, und er kommt schließlich aus Leipzig, verfügt also über Erfahrungen an einer großen, renommierten Universität. Einen Altphilologen wie ihn könnte ich mir durchaus an der Spitze vorstellen.«
    »Pistor?«, sagte Luther gedehnt. »Einen Fremden?«
    »Meines Wissens seid auch Ihr kein gebürtiger Wittenberger. Oder sollte ich mich da täuschen?« Winsheims Ton war nicht ohne Schärfe. Lange hatte er die reformatorische Bewegung mit großer Skepsis betrachtet. Und noch immer gab es Gerüchte, dass er heimlich am alten Glauben festhalte. »Ich weiß, dass Ihr für alle besseren Ämter Eure Mitstreiter bevorzugt. Aber nicht jeder, der öffentlich gegen Marienverehrung und Heiligenbilder wettert, ist damit auch

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