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Die geheime Braut

Die geheime Braut

Titel: Die geheime Braut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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soll dir alles mitgeben, was sie davon angesetzt hat. Danach gehst du zum Lebzelter gleich hinter dem Marktplatz und kaufst ein halbes Dutzend von den mittleren Kerzen.« Aus ihrer Rocktasche zog sie ein paar Münzen und gab sie Susanna. »Lenes alte Augen tränen bei Bienenwachs weniger als bei unseren Talglichtern. Ich will versuchen, ihr die letzte Zeit so angenehm wie möglich zu machen. Das hat sie verdient.«
    Plötzlich schien sie zu zögern.
    »Ich weiß, du gehst nicht gern allein. Doch jetzt ist helllichter Tag und …«
    »Ich kann mich gleich auf den Weg machen«, sagte Susanna rasch. »Dann bin ich zum Servieren wieder zurück.«
    »Du wirst Barbara vermutlich im Haus antreffen«, setzte Katharina hinterher. »Sollte sie jedoch in der Werkstatt sein, so rate ich dir dringend …«
    »Macht Euch keine Sorgen um mich!«, sagte Susanna. »Ich frage die Cranachin nach dem Öl. Mehr wird gewiss nicht geschehen.«
    Äußerlich ruhig, innerlich jedoch trotz aller neuen Vorsätze angespannt, ging sie los. Es tat gut, den großen Korb umklammert zu halten, der ihr einen gewissen Halt schenkte. Vor der Leucorea stand heute nur ein kleines Häuflein Studenten herum, die sich aber bei Susannas Anblick Pfiffe und Anzüglichkeiten sparten, vermutlich weil gerade Melanchthon mit zwei anderen Professoren eintraf, die sie ehrerbietig begrüßten.
    Susanna musste blinzeln, weil die grelle Sonne sie blendete. Die Luft roch nach Sommer, der Himmel war blau. Heute sehnte sie sich zum ersten Mal nicht mehr nach dem schützenden Habit, das den ganzen Körper verhüllte, sondern genoss die Bewegungsfreiheit des weiten Rocks, der um ihre Beine schwang.
    Inzwischen waren ihre Schritte größer geworden.
    Ich schaffe es, dachte sie. Ich kann meine Angst besiegen. Seine Macht über mich schwindet.
    Irgendwann werde ich ganz frei sein.
    *
    Wie unterschiedlich die beiden Cranach-Söhne doch waren!
    Während Hans Barbaras lange, schmale Gestalt hatte, war der jüngere Luc so kantig und untersetzt wie der Alte. Dafür besaß er die Geduld und helle Liebenswürdigkeit seiner Mutter, im Gegensatz zu Hans, der ein Sturkopf wie der Vater war und sofort aufbrauste, wenn er seinen Willen nicht durchsetzen konnte.
    Weil die gegensätzlichen Brüder unglücklich gewesen waren, stets nur Zuarbeiten in der Werkstatt leisten zu dürfen, hatte Jan sie zum Zeichnen hingeführt, das beide mittlerweile mit Feuereifer betrieben. Leblose Gegenstände wie Pinsel, einen Schemel oder verschrumpelte Äpfel meisterten sie schon ganz gut, wobei der Strich des Jüngeren sicherer und klarer war, was Hans gar nicht gefallen wollte.
    Er stieß sein Blatt ungeduldig zur Seite.
    »Hab dieses tote Kroppzeug gründlich satt«, maulte er. »Kann ich nicht endlich ein anständiges Motiv bekommen?«
    »Versuch es mit Ambrosius«, sagte Jan, ohne von seiner Arbeit aufzuschauen. »Der hat den besten Kopf weit und breit. Daran kannst du dir erst einmal die Zähne ausbeißen.«
    »Und wie fange ich das an?«, erkundigte sich der praktisch veranlagte Luc, der mitmachen wollte.
    »Schau dir seinen Kopf zuerst ganz genau an! Was ist am charakteristischsten? Damit beginnst du als Einzelstudie!«
    »Die Nase, die Nase«, rief Hans. »Ambrosius’ Riesenzinken – den nehm ich mir auf der Stelle vor.«
    Ambrosius, ungefragt zum Modell erkoren, schüttelte erst den Kopf, zeigte dann aber doch bereitwillig seine Nase im Profil, damit die Jungen ein passendes Motiv bekamen.
    Jan gab sich Mühe, dem steinernen Löwenkopf mehr Tiefe zu verleihen, den der Alte auf die linke Seite des Bildes platziert hatte, an dem er gerade malte. »Der Mund der Wahrheit«, so lautete der Titel des Gemäldes, und die junge Ehebrecherin in der Bildmitte streckte mit ängstlicher Miene ihre ringgeschmückte Hand in das Maul der Bestie. Hatte sie gelogen, so musste sie befürchten, die Hand zu verlieren. Deshalb hatte sie auch zu einer List gegriffen: Ihr Liebhaber begleitete sie im Narrenkostüm und umarmte sie schalkhaft von hinten genau in diesem entscheidenden Moment. So konnte sie ungestraft schwören, kein Mann außer ihrem eigenen und jenem Narren habe sie jemals berührt.
    Trug sie nicht plötzlich Dilgins verführerische Züge?
    Was würde die Hofdame tun, wenn ihr adeliger Verlobter unvermutet im Schloss auftauchte und auf Rechenschaft drang?
    Der pikanten Szene im Frauenzimmer der Kurprinzessin war eine zweite gefolgt, wobei Dilgin jedoch darauf geachtet hatte, es nicht zu weit zu treiben,

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