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Die geheime Braut

Die geheime Braut

Titel: Die geheime Braut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Professoren auf. Nach dem seltsamen Zwischenfall war die Unterhaltung stockend geblieben, sogar der selige Weingeist, der alle umnebelt hatte, schien verflogen.
    Vom Marktplatz strebten die Herren nach einer kurzen Verabschiedung in verschiedene Richtungen davon.
    Luther und Melanchthon gingen ein Stück zusammen.
    »So red schon, mein Schwarzerd!« Luther ärgerte sich, dass seine Zunge so schwer war. »Ich spür doch förmlich, wie die Worte in dir nach oben schießen wollen.«
    »Man wird nicht recht aus ihm schlau.« Melanchthon schwankte noch immer bedenklich. »Zu reden versteht er. Und ein kluger Kopf ist er auch. Gesehen hat er gewiss mehr als wir alle miteinander. Und doch erscheint er mir in gewisser Weise arm.«
    »Das hätte ich nicht besser sagen können«, stimmte Luther zu.
    »Und weißt du was? Plötzlich neide ich ihm nicht einmal mehr seine antiken Schätze. Ich behalte lieber mein so leichtsinnig angebotenes Jahrzehnt – falls der gütige Gott mir diese Gnade erweisen wird.«
    »Von mir aus kann er all seine Schriften und Bücher horten, bis er schwarz wird«, sagte Luther. »Und seinen raffinierten Fraß mit dazu. Ich freu mich jetzt nur noch auf mein redli ches Bett – und auf meine Katharina.«
    *
    Wie jung sie wirkte! Und wie geschmeidig ihr Körper selbst nach zwei Geburten geblieben war!
    Jan, den ein unbestimmtes Gefühl zum Luther-Haus getrieben hatte, blieb stehen, zog ein Blatt und seine Kreide hervor und begann zu zeichnen. Katharina, die zu seiner Überraschung beim Unkrautjäten im Garten war, hatte ihr Haar mit einem hellen Tuch verhüllt. Sie trug ein fleckiges Kleid, dessen Stoff so verwaschen war, dass man ihre sanften Rundungen mehr erkennen als erahnen konnte. Ein großer Wasserfleck auf dem Mieder tat sein Übriges.
    Irgendwann hielt sie inne, stützte die Hand in den Rücken und richtete sich auf.
    Als er ihr Profil sah, erkannte Jan, dass er sich getäuscht hatte.
    Das war nicht Katharina – das war Susanna!
    Eine Flut unterschiedlichster Bilder schoss durch seinen Kopf. Wie viele verschiedene Gesichter Susanna haben konnte!
    Erschrecken, als er den versuchten Diebstahl bemerkt und ihre Hand umklammert hatte.
    Scham, die ihre Züge aufbrechen ließ.
    Misstrauen, nachdem er sie vor der Taverne abgepasst hatte.
    Erstaunen, als sie erkannte, zu welchem Haus in Wittenberg er sie und ihre Gefährtin brachte.
    Sehnsucht, die bisweilen in ihren Zügen aufflackern konnte, wenn sie ihn ansah.
    Susannas Duft.
    Ihr Mund …
    Das war nicht länger die spröde Nonne, die er bislang in ihr gesehen hatte. Susanna war eine Frau aus Fleisch und Blut – und um vieles anziehender, als er sich bislang eingestanden hatte.
    Unwillkürlich machte Jan ein paar Schritte auf sie zu. Da bemerkte sie ihn.
    Unwille ließ sie die Lippen schürzen. Ihre Augen sprühten Blitze.
    »Was spionierst du mir nach?«, rief sie. Dann erst fielen ihr das Skizzenbuch und die Kreide in seiner Hand auf. »Und ausgerechnet so wagst du, mich auf Papier zu bannen?« Sie schaute an sich hinunter. »Hast du nichts Besseres zu tun?«
    »Es war nur eine Verwechslung …« Jan verstummte. Jedes weitere Wort würde nur neue Verwirrung stiften.
    »Eine Verwechslung?«, rief sie kampfeslustig. »An wen hattest du denn gedacht? Bini ist zu klein und zu schmal, Muhme Lene zu alt und gebeugt, da kommt doch nur Katharina in frage …« Sie schlug die Hand vor den Mund, als sie die Wahrheit begriff. »Du bist ein Tier, Jan! Nicht einmal vor der Lutherin schreckst du zurück.«
    Schweigend starrten sie sich an.
    Ich begehre dich, dachte Jan. Nein, das trifft es nicht genau. Du löst etwas in mir aus, das mir bislang unbekannt war. Schütteln könnte ich dich – und gleichzeitig beschützen wie eine Vogelmutter ihr Junges, das in Gefahr gerät. So durcheinander hat mich noch kein Weib vor dir gebracht. Was hast du nur mit mir angestellt, Susanna?
    »Ich bin kein Tier«, sagte er und hasste sich für seine unbeholfene Steifheit. »Können wir diesen Vorfall nicht einfach vergessen?«
    »Vergessen?«, schnaubte sie. »Das wäre dir wohl am allerliebsten! So wie das Nacktbild von Margaretha Relin, das meine Augen niemals sehen sollten …«
    Susanna erschrak, als sie Jans zutiefst erschrockenes Gesicht sah, raffte ihre Röcke und stürzte ins Haus.
    Er schüttelte den Kopf, als habe ihn ein unsichtbarer Hieb getroffen, dann lief er zurück in die Stadt.
    *
    Erst in der Stille ihrer Kammer kam sie wieder zu Atem.
    Susanna griff nach der

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