Die geheime Braut
Laute, die seit Langem vernachlässigt in einer Ecke stand, und begann sie zu stimmen.
Die ersten Töne waren krude und schrill, dann aber wurden ihre Finger langsam mit den Saiten eins.
Sie spielte ein altes Lied, mit dem sie die jüngsten Schwestern im Kloster begrüßt hatten.
Schenkst dein Herz dem Alleinen,
willst sein Herzliebchen sein.
Alles Not und alle Sorgen,
lässt du draußen fein bleibn …
Susanna stellte die Laute zur Seite. Ihr Herz schlug nach wie vor bis zum Hals.
Liebste Gottesmutter, betete sie stumm, was soll ich nur tun? Ich liebe ihn. Ich liebe ausgerechnet diesen weibergeilen, untreuen Jan!
NEUN
N EUN
I n seinen Armen fühlte Barbara sich genauso an wie beim allerersten Beilager: eine feingliedrige Frau mit Brüsten, die noch immer in seine Hand passten, und Beinen, so lang und geschmeidig, dass sie ihn beim Liebesakt mühelos umschlingen konnten, als wollten sie ihn nie wieder loslassen. Erst auf den zweiten Blick hatte Lucas Cranach sich in die scheue blonde Ratstochter aus Gotha verliebt, die nach einer geplatzten Verlobung klug und geduldig genug gewesen war, seine zögerliche Werbung mit einem Lächeln anzunehmen.
Er hatte diese Entscheidung keinen einzigen Tag bereut, und das lag nicht an der großzügigen Mitgift, die Jobst Brengbier seiner Lieblingstochter mit in die Ehe gegeben hatte. Doch so ganz verkehrt war diese üppige Morgengabe allerdings auch wieder nicht gewesen, denn das Haus am Marktplatz von Gotha bildete ein solides Fundament für die weiteren Grundstückserwerbungen in Wittenberg, die im Lauf der Jahre nach und nach dazugekommen waren.
Fünf Kinder hatte Barbara ihm geschenkt, war seinem Haus und seiner Werkstatt eine fleißige, tüchtige Vorsteherin und zudem fähig, dank ihres Kräuterwissens Krankheiten zu lin dern oder sogar zu heilen. Dabei ließ sie sich von niemandem etwas vormachen, weil sie vor allem ihrer eigenen Beobachtung vertraute. Selbst bei Meinungsverschiedenheiten wurde sie niemals schroff oder scharf, wie es bei Katharina von Bora durchaus vorkommen konnte, vielmehr wusste sie ihre Argumente so geschickt vorzubringen, dass ihr Mann sich ihnen früher oder später anschloss.
Außerdem kannte sie ihn wie kein zweiter Mensch auf Gottes schöner Erde, was er heute wieder einmal zu spüren bekam.
»Du gefällst mir gar nicht, Lucas«, sagte sie, während ihre Finger eine betörende Melodie auf seinen verspannten Schultern spielten. »Schon seit Tagen bist du wie verwandelt.«
»Warum, meinst du wohl?«, erwiderte er polternder, als ihm eigentlich zumute war. »Ein riesiges Fuder drückt auf meinen Rücken. Und je weiter ich nachforsche, desto schwerer wird es.«
»Musstest du dich unbedingt im Rat vordrängen? Diese Suche nach dem Mörder von Margaretha – sie kann gar nicht gut ausgehen.«
»Was redest du da?«, fuhr er auf.
»Vor allem sollte sie nicht ausschließlich mit dir in Verbindung gebracht werden«, erwiderte sie ungerührt. »Du bist zwar Ratsherr, aber vor allem doch ein berühmter Maler und gewiss kein Richter oder gar Henker.«
»Wir sollen den Täter also einfach laufen lassen?«, schnappte er zurück.
»War es ein Fremder, so ist er ohnehin längst über alle Berge«, sagte Barbara. »Niemand mit nur einem Fünkchen Verstand würde seelenruhig abwarten, bis man ihn fasst, aburteilt und zum Galgen schleppt. Und jemand aus Wittenberg? Das gibt böses Blut.«
»Ich kann dich nicht begreifen …«
»Ein Mörder innerhalb unserer Bürgerschaft? Hast du dir das schon einmal ausgemalt? Kein Stein bliebe mehr auf dem anderen.« Sie griff nach einem Taschentuch und schnäuzte sich ausführlich. »Vielleicht hat Margaretha es sich ja so gar zum Teil selbst zuzuschreiben, dass sie nicht mehr am Leben ist.«
»Das sagst ausgerechnet du – eine Frau!«
»Ja, allerdings eine Frau, aber eine, die ihrem Mann stets treu war und die mit ihrem Leben zufrieden ist. Margaretha dagegen …« Sie verstummte.
»Wenn du etwas weißt, Barbel« – Cranach nahm ihre Hand –, »so musst du es mir sagen.«
Sie entzog sie ihm.
»Wo lebst du eigentlich, Lucas? Du malst die Menschen, und das beherrschst du meisterhaft. Doch kannst du in ihren Mienen und Körpern, die du auf Leinwand bannst, auch lesen? Es gibt eine Welt der Männer. Und eine der Frauen. Und von dieser verstehst du nichts, Meister Cranach – gar nichts!«
Er schaute sie fragend an.
»Du erkennst es an den Augen«, fuhr sie fort, als er stumm blieb. »Da gibt es dieses
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