Die geheime Braut
stammelte Jan. »Nur ein einfacher Jäger.«
»Ein Jäger?«, wiederholte der Mann. »Weißt du denn nicht, wer ich bin?«
Jan hatte ihn noch nie zuvor gesehen, da war er sich ganz sicher.
Schulterlanges blondes Haar, glatt und dicht. Kalte, helle Augen, die ihn fixierten. Ein schmaler, leicht schiefer Mund, den die Halbmaske aus tiefrotem Samt seltsam nackt wirken ließ. Der Edle trug einen roten Umhang, und seine Rechte, die einen zweischneidigen Sauspieß hielt, der direkt auf Jans Brust zielte, war kräftig.
»Nun?« Der Stiefeldruck wurde stärker. »Ich höre.«
»Ihr zerquetscht mir ja die Zehen!«, rief Jan. »Ich weiß es nicht. Lasst mich gehen! Ich gehöre gar nicht hierher.«
»Das allerdings hast du gut erkannt.« Die Stimme wurde eisig. »Vor dir steht kein anderer als Ares, der Gott des Krieges, auch Bertram Edler von Altenstein genannt. Und die bildschöne Nymphe, die du soeben mit deinen unverschämten Blicken entweiht hast, ist meine Verlobte Dilgin von Thann!«
ZEHN
Z EHN
J an schleppte sich in den Hof der Cranach-Werkstatt und beugte sich ächzend über den Brunnen.
Ares hatte ihn töten wollen. Nur durch ein Wunder war er ihm entkommen.
Zum Glück war noch ein Rest Wasser im Eimer, den goss er sich über den Kopf und schüttelte die Nässe wieder ab. Sein Körper reagierte sofort auf die offenbar zu heftige Be wegung. Es gab kaum eine Stelle an seinem Leib, die nicht wehtat.
Welch ein Kampf!
Den Sauspieß hatte er dem Edlen aus der Hand schlagen können, dann jedoch war dieser auf ihn losgegangen wie ein wütender Keiler, hatte ihn mit Fäusten traktiert, nach ihm getreten, auf ihn eingeprügelt. Schon nach wenigen Augenblicken merkte Jan, dass er körperlich unterlegen war – dafür jedoch um vieles wendiger.
Nachdem Jan sich vom ersten Schreck erholt hatte, begann sein Verstand blitzschnell zu arbeiten. Er wich aus, duckte sich, war plötzlich hinter Ares, der sich umdrehte und noch brachialer zuschlug, aber nicht mehr so häufig traf.
Unverkennbar, wie wütend das den Angreifer machte. Er schrie und tobte, und aus seinem Mund floss eine Litanei der übelsten Flüche.
»Zerquetschen werde ich dich wie eine dreckige Laus. Deine Eier reiß ich dir einzeln ab und röste sie über offenem Feuer. Die Arme brech ich dir, und die Augen stech ich dir aus. Nie wieder werden sie ein Weib anglotzen, das garantiere ich dir!«
Vor lauter Schimpfen und Fluchen wurde er nur noch langsamer, was Jan als Vorteil für sich zu nutzen wusste. Er spurtete los. Als er schon halb an Ares vorbei war, stellte der ihm einen Fuß und brachte ihn zu Fall.
Dann hockte er über ihm, schlug und boxte ihn in das Gesicht, die Rippen und den Unterleib.
Irgendwann sah Jan etwas Silbriges aufblitzen.
Ein Messer, das ihm das Augenlicht rauben würde?
Jan nahm alle Kraft zusammen und versuchte sich aufzubäumen, um den Gegner abzuschütteln. Doch dessen muskulöse Schenkel hielten ihn eisenhart am Boden, während die Fäuste auf ihn niederprasselten – bis ihre Kraft überraschend erlosch und Ares über ihm zusammensackte.
Verdattert war Jan zunächst liegen geblieben. Dann hatte er plötzlich eine Männerstimme gehört: »Steh auf und lauf, wenn dein Leben dir lieb ist! Wenn er wieder zu sich kommt, wird er sein Werk vollenden.«
Inzwischen war Jan am Brunnen munter genug, um den Eimer hinunterzulassen und frisch gefüllt wieder hochzuziehen. Das Wasser, mit dem er seine Verletzungen kühlte, erschien ihm als Wohltat, wenngleich er bei jedem Luftholen Stiche in der Seite verspürte.
Ob Ares ihm eine oder sogar mehrere Rippen gebrochen hatte?
Als Junge war Jan von einer hohen Leiter gefallen und anschließend von seiner Großmutter versorgt worden. Er wusste daher, dass es Wochen dauern konnte, bis der ste chende Schmerz in der Seite wieder verschwunden war.
Dann ließ er sich vorsichtig auf den Boden gleiten.
Hades hatte ihm also das Leben gerettet – ausgerechnet der Mann mit dem Metallgesicht unter der Samtmaske, der Auftraggeber des Graziengemäldes.
Woher war er so plötzlich gekommen?
Und wo hatte Dilgin die ganze Zeit über gesteckt – sich nach wie vor auf dem Ruhebett geräkelt, um diesem Kampf auf Leben und Tod genüsslich zuzusehen?
Plötzlich wurde Jan eiskalt.
In dieser höfischen Festnacht hatte er sich einen Feind gemacht, einen starken, gefährlichen, zu allem entschlossenen Feind, der nicht ruhen würde, bis er ihn endgültig besiegt hatte.
Was sollte er tun?
Seinen restlichen
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