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Die geheime Geschichte: Roman (German Edition)

Die geheime Geschichte: Roman (German Edition)

Titel: Die geheime Geschichte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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ein Säufer ist. Es hat etwas Römisches an sich, all diese Rücksicht auf die caritas seiner Schwester. Bunny ist nicht in Camillas Nähe gekommen, weißt du; er hat sie kaum angesehen . Er behauptete immer, sie sei nicht sein Typ, aber ich glaube, der alte Holländer in ihm wußte, daß sie böse Medizin ist. Mein Gott ... ich weiß noch, vor langer Zeit haben wir mal in einem lächerlichen Chinarestaurant in Bennington gegessen, im ›Lobster Pagoda‹. Das ist inzwischen geschlossen. Rote Perlenvorhänge und ein Buddha-Altar mit einem künstlichen Wasserfall. Wir haben eine Menge Drinks mit Papierschirmchen getrunken, und Charles war furchtbar blau – nicht, daß es unbedingt seine Schuld war; wir waren alle betrunken. Die Cocktails in solchen Läden sind immer zu stark, und außerdem weiß man nie ganz genau, was sie einem reintun, nicht wahr? Draußen hatten sie einen kleinen Steg, der über einen Wassergraben mit zahmen Enten und Goldfischen zum Parkplatz führte. Irgendwie wurden Camilla und ich von den anderen getrennt, und wir warteten dort. Dabei verglichen wir die Weissagungen aus unseren Glückskeksen. Auf ihrem Zettel stand so was wie: ›Erwarte einen Kuß vom Mann deiner Träume.‹ Das war nun zu gut, als daß man es hätte versäumen dürfen; also habe ich sie – na ja, wir waren beide betrunken, und so ging es ein bißchen mit uns durch. Und dann kam Charles von nirgendwo herangeschossen und packte mich am Genick, und ich dachte, er würde mich über das Brückengeländer schmeißen. Bunny war dabei, und er riß ihn zurück, und Charles hatte Verstand genug zu sagen, er habe nur Spaß gemacht. Aber das hatte er nicht: Er hat mir weh getan , hat mir den Arm auf den Rücken gedreht und ihn fast ausgekugelt. Ich weiß nicht, wo Henry war. Guckte wahrscheinlich gerade in den Mond und rezitierte ein Gedicht aus der T’ang-Dynastie.«
    Die folgenden Ereignisse hatten es aus meiner Erinnerung verdrängt,
aber die Erwähnung Henrys ließ mich an das denken, was Charles mir am Morgen über das FBI erzählt hatte – und über eine andere Frage, die ebenfalls Henry betraf. Ich überlegte, ob dies der rechte Augenblick war, das eine oder das andere zur Sprache zu bringen, aber da sagte Francis abrupt und in einem Ton, der vermuten ließ, daß Schlimmes bevorstand: »Weißt du, ich war heute beim Arzt.«
    Ich wartete darauf, daß er weitersprach. Aber das tat er nicht.
    »Weshalb?« fragte ich schließlich.
    »Wieder das gleiche. Schwindelgefühle. Schmerzen in der Brust. Ich wache nachts auf und kriege keine Luft. Letzte Woche bin ich noch mal ins Krankenhaus zurückgefahren und hab’ sie ein paar Tests machen lassen, aber dabei hat sich nichts ergeben. Sie haben mich zu diesem anderen Typen überwiesen. Zu einem Neurologen.«
    »Und?«
    Er rutschte unruhig in seinem Sessel hin und her. »Der hat auch nichts gefunden. Diese Hinterwaldärzte taugen alle nichts. Julian hat mir den Namen eines Mannes in New York gegeben; er sagt, er ist der beste Diagnostiker im ganzen Land und einer der besten auf der ganzen Welt. Er ist zwei Jahre im voraus ausgebucht, aber Julian meint, wenn er ihn anruft, ist er vielleicht bereit, mit mir zu sprechen.«
    Er griff nach einer neuen Zigarette; dabei glühte noch eine unberührte im Aschenbecher.
    »So, wie du rauchst«, sagte ich, »ist es kein Wunder, wenn du Atemnot hast.«
    »Das hat nichts damit zu tun«, sagte er gereizt und klopfte die Zigarette auf den Handrücken. »Genau das erzählen dir auch diese blöden Vermonter. Hören Sie auf zu rauchen, lassen Sie den Schnaps und den Kaffee weg. Ich habe mein halbes Leben lang geraucht. Glaubst du, ich weiß nicht, wie sich das auf mich auswirkt? Man kriegt von Zigaretten keine scheußlichen Krämpfe in der Brust, und auch nicht von ein paar Drinks. Außerdem habe ich all die anderen Symptome. Herzflattern. Klingeln in den Ohren.«
    »Rauchen kann eine unheimlich komische Wirkung auf den Körper haben.«
    Francis machte sich oft über mich lustig, wenn ich eine Formulierung benutzte, die er als kalifornisch empfand. »Unheimlich komisch? « wiederholte er boshaft und ahmte dabei meinen Tonfall nach: vorstädtisch, hohl, flach. »Echt ?«
    Ich sah ihn an, wie er in seinem Sessel hing: gepunktete Krawatte, schmale Bally-Schuhe, schmales Fuchsgesicht. Er grinste auch wie ein Fuchs und zeigte dabei zu viele Zähne. Ich hatte die Nase voll von ihm. Ich stand auf. Das Zimmer war so verqualmt, daß mir die Augen tränten.

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