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Die geheime Mission des Nostradamus

Titel: Die geheime Mission des Nostradamus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle Riley
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dunklen Umhang, ein geheimnisvolles Päckchen an den Busen gedrückt. Vorsichtig blickte sie sich nach beiden Seiten um, die Straße war scheinbar leer, und schon enteilte sie raschen, entschlossenen Schrittes. Nicolas hütete sich, die schattige Seite der Straße zu verlassen, und folgte ihr so flink und leise wie eine Katze. Dieses Mal entrinnt mir der Spanier nicht. Aber angenommen, es ist ein weiterer Liebhaber, mit dem sie sich heimlich trifft? Ich fordere beide und schlage mich an aufeinanderfolgenden Tagen mit ihnen, dachte er. Das wird mich berühmt machen. Er stellte sie sich im Alter vor, wie sie in einem Klostergarten in der Sonne saß und jemand über sie sagte: »Die ist es? Montverts berühmtes Doppelduell, das ihretwegen ausgefochten wurde?« Und dann die Antwort: »Aber, meine Liebe, das ist schon lange, lange her. Du kannst dir nicht vorstellen, wie schön sie damals war. Aber alles umsonst. Nach dem Sieg hat sich der Chevalier de Montvert geweigert, noch einmal mit ihr zu sprechen, schließlich war sie entehrt, und seitdem ist sie vor Gram einfach wie betäubt.«
    Doch er war gerade beim besten Teil angekommen, als sie an den Schweizergarden vorbei den Hof des Hostel de Sens betrat, und als er ihr folgen wollte, fragten ihn die Garden äußerst grob nach Rang und Begehr. Er zerbrach sich den Kopf: Was konnte er angeben? Nicolas Montvert, Philosoph und Lebensbeobachter? Nicolas Montvert, Randalierer, Stammgast von Studentenkneipen in halb Italien und Frankreich, Herumtreiber in billigen Fechtsälen, Autor einer noch nicht veröffentlichten Abhandlung Über die Geheimnisse der italienischen Fechtkunst? Nicolas Montvert, Bankierssohn, aber kein Bankier? Keine der Beschreibungen wurde seiner ungewöhnlichen und erhabenen Beziehung zur gewöhnlichen Menschheit und der ins Auge gefaßten ruhmreichen, jedoch noch verschwommenen Zukunft gerecht. Ich brauche einen Titel, dachte er verdrießlich, während er am Tor herumlungerte und darauf wartete, daß sie wieder herauskam. Einen Titel, der so prächtig ist, daß mich gedungene Schweizergarden nicht am Hoftor abweisen wie einen Straßenhändler.
    Doch dann fiel ihm auf, daß ihm jemand Gesellschaft leistete, eine abgerissene Gestalt, ein entlassener Soldat in schmutzigen Lumpen, ziemlich betrunken für die frühe Tagesstunde. Diese Sorte bringt Menschen, die einen Grund zum Herumlungern haben, in Verruf, dachte Nicolas. Der finstere Kerl spähte wie er zum Tor, beobachtete Besucher, Priester, Kaufleute und Bittsteller beim Hinein- und Hinausgehen und wartete offensichtlich auf jemanden. Ein gedungener Meuchelmörder, befand Nicolas. Solchen Gesellen bin ich hier und da begegnet. Wie tief gesunken – oder wie gut bezahlt – muß jemand sein, um am hellichten Tag einen Mord begehen zu wollen? Eine Frau mit einem Tablett voller Fleischküchlein kam vorbei, der Herumlungerer kaufte sich eins, und während er kaute, spürte Nicolas, daß er noch nicht gefrühstückt hatte. Das führte zu einer Betrachtung über die gräßliche Knauserigkeit seines Vaters, denn er hatte keinen roten Heller, um auch nur ein Küchlein zu erstehen, und dann kam ihm in den Sinn, daß Geizhälse einen unseligen Tod starben, und gerade als er sich seinen Vater reuig auf dem Totenbett ausmalte, wie er seinen leidgeprüften Sohn, der nur noch ein mitleiderregendes menschliches Skelett war, um Vergebung bat, da kam sie durch das Tor, sah unglücklich aus und war das Päckchen los.
    »Demoiselle Sibille de la Roque?« fragte der finstere Geselle und vertrat ihr den Weg. Als sie ratlos nickte, ging plötzlich alles ganz schnell.
    »Das hier ist von Monsieur Villasse!« schrie der Mann und hob den Arm, aber gleichzeitig stürzte sich Nicolas auf ihn, so daß der Gegenstand, den er in der Hand hielt, wegflog. Eine Flüssigkeit versprühte zwischen ihnen, tat aber keinem ernstlich etwas zuleide, nur ein paar Tropfen Säure fraßen sich durch seinen Ärmel, während Sibille schrie: »Meine Hand! Meine Hand! O Gott, tut das weh!« Schon hämmerte Nicolas den Kopf des Mörders auf das Pflaster und rief: »Der Spanier! Sag seinen Namen, oder ich bringe dich hier um! Wer ist Señor Alonzo?« Und die Schweizergarde versuchte vergeblich, sie auseinanderzureißen. »Wahnsinn! Nein, ein Anfall! Nein, ein Mordversuch!« riefen Passanten, die jetzt auf die beiden kämpfenden Männer zurannten.
    »Mörder!« schrie Nicolas, als sie ihn von dem zerlumpten Mann wegzerrten. Hinter ihm sagte jemand:

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