Die geheime Mission des Nostradamus
dem er umkommen wird. Und wofür? Nur damit Ihr als eine Frau bekannt werdet, für die Männer gestorben sind? Wollt Ihr ein Gedicht darüber schreiben, das Eure Liebhaber dann bei Hofe singen können?«
»Meine Liebhaber? Abscheulicher Mann, geht, geht sofort! Nicolas hatte recht… Ihr hegt schmutzige Gedanken und würdet ein reines Herz und ehrenhafte Absichten nicht erkennen, selbst wenn Ihr im Dunkeln darüber stolpern würdet. Ihr verdient keinen Sohn wie ihn!«
»Sibille, was höre ich da unten, Stimmen? Hast du dem Mann nicht gesagt, daß er in unserem Haus nicht willkommen ist. Er hat dir bereits genug geschadet«, wehte Tantchens Stimme aus dem Schlafzimmer.
»Ich habe ihn keineswegs angelockt. Er haßt d'Estouville, weil er ist, wie er ist: ein Parasit mit Titel und ein Mitgiftjäger, der hinter meinem Erbe her ist, und ich habe ihn nicht einmal ins Haus gelassen…«
»Erbe?« fragte Nicolas' Vater und ließ seinen Blick über Möbel und Gobelins in der Eingangshalle schweifen.
»Und obendrein ist das Bad sehr ehrbar, Damen aus den höchsten Kreisen suchen es regelmäßig auf.«
»Aber man sieht Euch bei Hofe, unverheiratet…«
»Die Königin höchstpersönlich hat mich eingeladen.«
»Aber Eure Base hat gesagt…«
»Matheline? Was hat die denn damit zu tun?«
»Sie hat gesagt… Eure Gedichte hätten Euch Liebhaber von höchstem Rang eingebracht, und sie wolle selbst zur Feder greifen, es sei dieser Tage die große Mode unter den Hofdamen…«
»Liebhaber? Liebhaber? Ich wage gar nicht, mir Liebhaber zu nehmen! Die wären doch nur hinter dem Kasten der Königin her, den ich nicht loswerden kann. Menander der Unvergängliche hat mein Leben ruiniert, und der einzige Mensch, der das versteht und sich um mich sorgt, ist Nicolas, und den habt Ihr mir genommen. Hoffentlich werdet Ihr glücklich mit dem, was Ihr angerichtet habt. Alles ist Eure Schuld, Ihr habt Euch alles selbst zuzuschreiben, und er ist nur ins Bad gekommen, um Lebewohl zu sagen, und wenn Ihr uns hättet heiraten lassen, wäre das alles niemals geschehen.«
»Menander der Unvergängliche? Wer ist das?«
»Sibille, ich habe alles gehört. Ich habe dir doch gesagt: Schick ihn fort. Aber nun ist dein Mundwerk mit dir durchgegangen, also laß ihn ein. Ich möchte ihm in die Augen sehen.« Tantchens Stimme klang für jemanden, der eben noch auf dem Sterbebett lag, recht kräftig.
»Wer ist das? Tut mir leid, aber ich muß fort. Nicolas…«
»Sag ihm, er soll hereinkommen, sonst verhexe ich ihn, daß ihm die Haare zu Berge stehen. Familie, Vermögen, alles verloren, wenn er mir jetzt in die Quere kommt. Sag ihm, daß Menander der Unvergängliche ihn hierhaben will.« Ich merkte, daß Monsieur Montvert ziemlich blaß wurde. Zwar stand er fluchtbereit auf der Schwelle, doch auf einmal blickte er sich erneut in der Halle um, atmete tief durch und machte einen Schritt zurück.
»Zauberei«, flüsterte er. »Nicht Sünde, sondern Zauberei. Wo seid Ihr nur hineingeraten?«
»Kommt mit und seht es Euch an«, sagte ich.
»Rettet das meinen Jungen?« fragte er.
»Nur um einen Preis, den Ihr ungern zahlen würdet«, gab ich zurück.
»Ich würde meine Seele dafür geben.« In dem Augenblick, als er diese Worte sprach, verließ mich aller Haß, und er tat mir nur noch leid, er tat mir so leid, daß es kaum auszuhalten war. Ich wußte, glaube ich, noch besser als er, was er meinte.
»Bittet Menander um nichts«, beschwor ich ihn. »Er ist der Bösesten einer. Wünscht Ihr Euch etwas, so verbiegt er Euren Wunsch und stürzt Euch ins Verderben. Der große Nostradamus hat mir einmal gesagt, er führt auf geradem Weg in die Hölle. Ich… ich begleite Euch, wo auch immer sie sich zum Duell treffen wollen, auch wenn mein Ruf dabei in Scherben geht. Ich flehe Nicolas an, Euch zuliebe seine Ehre zu verraten. Aber gebt mir nicht die Schuld, einen anderen Menschen in den Abgrund gelockt zu haben.«
Der alte Mann drehte sich um und blickte mir fest in die Augen, starrte mich stumm mit hagerem Gesicht an. In seinen Augen standen Furcht und Sorge. Dann betrat er entschlossenen Schrittes, wie ein Mann, der zum Galgen geht, Tantchens Schlafzimmer, wo der geöffnete Kasten mit Menander dem Unvergänglichen auf dem dunklen Tisch am Fenster stand.
»Schön, schön«, sagte Menander, und seine Stimme war wie das Flüstern trockener Blätter, »noch ein Mann, den es danach verlangt, seine Seele loszuwerden. Sie ist ein totes Gewicht, Monsieur Bankier,
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