Die geheime Mission des Nostradamus
und Eure ist ohnedies verloren. Warum nicht für eine gute Sache?«
Monsieur Montvert trat zurück und wieder vor, so als mustere er Menander in dem geöffneten Kasten auf dem Tisch aus allen Blickwinkeln, dächte nach und rechnete. »Jetzt, da ich Euer niederträchtiges kleines Auge sehe, habe ich keinerlei Zweifel, daß Ihr ein noch größerer Betrüger seid als die Monarchen, denen ich Geld leihe. Die zahlen niemals Zinsen und selten das Kapital zurück. Habt Ihr Eure Versprechen jemals erfüllt, Monsieur Kopf des Bösen?«
»Ich zahle immer – genau wie es sich meine Anbeter wünschen, nicht mehr und auch nicht weniger. Ich nehme es sehr genau. Vertraut mir Euren Wunsch an, und ich erfülle ihn – na, macht schon, es ist so einfach, und eine Seele kann man ohnedies nicht sehen. Die bildet man sich zweifellos nur ein, also wird sie Euch auch nicht fehlen.«
Doch statt Versuchung und Verlangen zeigte das Gesicht des alten Bankiers nichts als eherne Entschlossenheit, und sein Mund verzog sich angewidert. »Leute wie Euch kenne ich. Erbitterte Schacherer, verscherbeln Hehlerware und die Haare toter Frauen. Alles schön und recht, nicht wahr?« Der alte Mann wandte sich zu mir, und seine Augen musterten mich eingehend. »Sagt, Demoiselle, seit wann betreibt Ihr Zauberei als Liebhaberei? Habt Ihr das Ding da durch Schwarze Magie an Euch gebracht? Oder habt Ihr ihm selbst das Leben eingehaucht?«
»O nein. Das Ding da gehörte einem Fremden und ist durch Zufall an mich geraten, und jetzt werde ich es nicht mehr los, obwohl ich es ein Dutzend Male versucht habe. Aber die Königin will es für sich haben – also bewahre ich es für sie auf und bringe es ihr, wenn sie sich etwas wünschen möchte. Daher darf ich mich nicht weit von ihr entfernen, falls sich plötzlich etwas ergibt und sie sich etwas wünschen muß.«
»Das ist also das Geheimnis. Weit entfernt von dem, was ich mir vorgestellt habe. Und bei Euch, Madame Tournet, entschuldige ich mich für mein Eindringen. Ich scheine alles falsch verstanden zu haben. Ich kenne den Sieur de la Roqueaux-Bois, Euren Bruder, Madame…«
»Und da habt Ihr gedacht, die Tochter wäre genauso schamlos wie der Vater: eine mittellose Abenteurerin, die sich bei mir eingeschmeichelt und mich benutzt hat, um bei Hofe ihr Glück zu machen, und die jetzt als Deckmäntelchen für ihre Liebschaften einen Dummkopf als Ehemann braucht.«
»Das soll schon vorgekommen sein«, entgegnete Montvert. »In diesen bösen Zeitläuften finden sich mehr ehrgeizige Frauen als ehrliche.« Er hob die Schultern, als wollte er häßliche Erinnerungen abschütteln. »Aber jetzt ist das Leben meines Sohnes in Gefahr, und ich muß Euch ein paar Fragen stellen. Ist es richtig, daß dieser mumifizierte Kopf Wünsche zu erfüllen vermag?«
»Wenn Ihr die Worte auf dem Kasten da nachsprecht.«
»Und auf hinterhältige Art? Das heißt, er faßt den Wunsch buchstäblich auf und gibt einem genau das Gewünschte?«
»Ja, so ist es. Ich kann Euch nur raten, sehr sorgfältig zu formulieren. Falls Ihr Euch das Leben Eures Sohnes wünscht, wird er möglicherweise blind. Falls Ihr wünscht, daß er gesund bleibt, verliert er möglicherweise den Verstand. Menanders Spiel besteht darin, daß er Euch dazu bringt, noch einen Wunsch zu äußern, um den ersten nachzubessern, und so weiter und so fort, bis Ihr vor Entsetzen und Bedauern in die Grube fahrt.«
»Dann nimmt er im Austausch nicht nur die Seele, sondern ist so gierig beim Eintreiben, daß man sie vor der Zeit aushaucht?«
»Darum geht es mehr oder weniger. Seit er bei uns ist, haben wir mit angesehen, wie mehreren törichten Leuten genau das widerfahren ist.«
»Und die Königin?«
»Sie hat einen ehernen Willen und teilt sich ihre Wünsche sehr sorgfältig ein.«
»Und Ihr?«
»Wir wünschen uns nichts. Er hat keinen Leib, mit dessen Kraft er uns zwingen könnte, und vermag nur tätig zu werden, wenn sich jemand etwas wünscht, also kann er uns nichts anhaben.«
»Allerdings flüstert er des Nachts. Er sagt fürchterliche Sachen«, setzte ich hinzu.
»Flüstert die ganze Nacht über, verlockt Menschen, ihre Seele zu verkaufen, bewirkt, daß Fremde im Haus herumgeistern. Demoiselle Sibille, mittlerweile habe ich zwar die höchste Meinung von Eurem Charakter, aber – es tut mir leid – mit diesem Klotz am Bein möchte ich meinen Sohn nicht sein Leben lang belastet sehen. Bei all den nächtlichen Störungen könnte er in seiner Laufbahn kaum
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