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Die geheime Mission des Nostradamus

Titel: Die geheime Mission des Nostradamus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle Riley
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befürchten. »Wie gut, daß Nicolas außer Landes ist; sie nehmen jetzt jeden gesunden Mann«, sagte Monsieur Montvert. Und dann begann er, mit Tantchen Pläne zu schmieden, wie er Frau und Tochter sowie die wichtigsten Haushaltsgüter zusammen mit uns aus der Stadt wegbringen könnte.
    »Mein lieber Scipion, seid versichert, Ihr seid alle in meinem Haus in Orléans willkommen, solange dieser furchtbare Krieg dauert.«
    »Meine liebe Madame Tournet, der Umzug ist nur vorübergehend. Viel länger kann der Krieg nicht dauern. Beide Seiten sind bankrott. Die einzige Frage ist, wer hat den längeren Atem. Und falls wir das nicht sind, fällt Paris noch bevor der Friede ausgerufen wird.«
    »Scipion, zuweilen glaube ich, Ihr seid der Prophet und nicht Maistre Nostredame.«
    »Nein, leider nicht. Es handelt sich lediglich um gesunden Menschenverstand angesichts des Unfaßbaren.«
    »Wie schön könnte die Welt beschaffen sein, wenn jeder gesunden Menschenverstand walten ließe. Und was die Mitnahme der Juwelen Eurer Frau betrifft – mein Haus verfügt über einen verborgenen Safe, doch für die Reise empfehle ich, daß sie diese in ihr Mieder einnäht.«
    Während dieser sonderbaren Wochen, als die ganze Stadt auf den Sieg der Verteidiger von St. Quentin wartete, lieferte ein Kurier in unserem Haus in der Rue de la Cerisaie eine kleine Schachtel ab. Philippe d'Estouville sei der Absender. Doch ehe ich ihn weiter ausfragen konnte, hatte er sich weggestohlen.
    »Tantchen, das muß ein Irrtum sein. Clarette hat seit Wochen keinen Brief erhalten, und mir schickt er einen märchenhaften Schmuck? Den darf ich einfach nicht annehmen – er ist gewiß für sie bestimmt.« Aber dann dachte ich, daß Clarette annehmen könnte, er wolle mich als Mätresse haben. Wenn ich Clarette also den Schmuck gäbe, würde ich ihr das Herz brechen. Also legte ich das Kästchen in meinen Frisiertisch und grübelte weiter darüber nach, doch dann vergaß ich die Angelegenheit im Getümmel des Aufbruchs.

    Während dieser schrecklichen Zeit vermischten sich Gerüchte und Nachrichten zu gleichen Teilen. Nevers würde die Stadt verteidigen, Nevers habe versagt. Die Truppen König Philipps von Spanien seien eingetroffen und überwachten den Angriff. Die Truppen König Philipps von Spanien seien in einer heldenhaften Schlacht zurückgeworfen worden. Doch endlich, gerade vor Monatsende, kam die Kunde, daß die Stadt St. Quentin in einer Orgie aus Blut und Plünderung gefallen sei. Jetzt brach Panik aus, und auf den Straßen von Paris stauten sich Karren mit Möbeln. Verstörte Frauen, die ihre Säuglinge an die Brust drückten, wohlhabende Männer, die versuchten, Pferde zu kaufen, Menschenmassen auf Mauleseln, zu Fuß und mit Handwagen, alles drängte durch die Stadttore in Richtung Süden. Doch Tantchen und der gewitzte, alte Bankier hatten die wertvolleren Möbelstücke bereits Richtung Süden geschickt.
    »So lebt denn wohl, meine Lieben«, sagte Monsieur Montvert. »Ich schicke Euch Nachricht, falls die Stadt verschont bleibt – falls nicht, so wünscht mir glückliches Entrinnen.« Er umarmte uns alle der Reihe nach und vertraute uns für die Reise in den Süden dem Abbé an, dann wandte er sich ab, damit wir die Tränen auf seinen Wangen nicht sehen konnten. Und gleich darauf schob sich unsere merkwürdige Karawane aus dem Hof und mischte sich unter die außer Rand und Band geratene Flüchtlingsschar, die wie ein Fluß die Rue St. Antoine entlangströmte. Tantchens Sänfte mit ihren Kissen, die klumpig waren, weil wir in letzter Minute Wertsachen eingenäht hatten, schwankte und wurde angerempelt, so daß Madame Montvert, die zusammen mit Tante Pauline reiste, aufschrie. Und wir, die wir jeweils zu zweit ritten, sorgten uns, daß uns bei den Menschenmassen und bei all dem Geschrei und Peitschengeknalle über eingeklemmten Karren und Packeseln die Pferde durchgingen und uns abwarfen. Doch es war nicht die Angst auf der Straße, die mir am schwersten auf der Seele lag. Es war eher das sichere Wissen, daß wir auf halbem Wege in la Roque-aux-Bois Station machen mußten. Bei dem Gedanken an zu Hause kam ich mir unansehnlich und schäbig vor: wieder und wieder hörte ich den letzten heftigen Wortwechsel zwischen Tantchen und Vater. Nicht einmal der Gedanke, daß ich meine Mutter umarmen würde, konnte ihn aus meinem Kopf vertreiben.
    »Ich sehe, du bläst Trübsal«, sagte Tantchen, als könne sie Gedanken lesen. »Hör auf, dir Sorgen zu machen.

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