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Die geheime Mission des Nostradamus

Titel: Die geheime Mission des Nostradamus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle Riley
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Zwei Brüder mit schmalen, spitzen Gesichtern. Die Brüder Guise. Bei dem Älteren zieht sich eine eingefallene große Narbe über die Wange, wo ihm einst der Knochen zertrümmert wurde. Franz, Herzog von Guise, auch Le Balafre – »Die Narbe« – genannt. Der Jüngere, der den geistlichen Habit zugunsten einer Halbrüstung abgelegt hat, ist der Kardinal von Lothringen, Großinquisitor von Frankreich.
    »Wieder ein Nest von Teufelsanbetern ausgehoben«, sagt die Narbe. Nostradamus bemerkt nun auch den Geruch. Die Strafe dafür, daß er so nahe an der Jetzt-Zeit ist. Er riecht Pferdeschweiß und Blut und auch die Ausdünstungen des Herzogs, der sich des längeren nicht gewaschen hat.
    Die Szene im Wasser verändert sich, und bei ihrem Anblick entringt sich dem Zuschauer, dem alten Mann, ein tiefer Seufzer. Jetzt ist Rauch zu sehen, der über der Stadtmauer zum Himmel wölkt. Eine vertraute Mauer. Noch näher, ja, das ist Orléans selbst, die Stadt der Fürsten und Schätze, und da ist die große Kathedrale, die die Stadtsilhouette beherrscht. Auch sie steht in Flammen. Bewaffnete Männer in schlichter, dunkler Kleidung schwärmen aus wie Ameisen, Plünderer flüchten aus den Portalen.
    »Reißt den Satansturm ein.«
    »Rache! Vernichtet die Götzenanbeter! Heute ihre Kathedrale der Schändlichkeiten, morgen den Großen Antichrist in Rom!« Man hört ein Krachen und Knirschen, als die Balken nachgeben, dann eine Explosion, als die Pulverladungen, die man unter das Fundament geschoben hat, endlich zünden. Der riesige altehrwürdige Turm fällt in sich zusammen, und die Menge rings um die Kathedrale johlt.
    »Ein Bürgerkrieg«, entfuhr es Nostradamus mit bebender Stimme. »Ein blutiger Religionskrieg. Und schon bald. Anael, immer mußt du mehr Fragen aufwerfen, als du beantwortest. Wer bleibt Sieger in diesem Krieg? Die einzig wahre Religion?«
    »Hmm. Den Teil scheine ich unter einem Haufen südamerikanischer Präsidenten verlegt zu haben«, antwortete Anael, wobei sein Oberkörper schon wieder verschwand.
    »Du Versucher, du elendiger Teufel«, sagte der alte Mann.
    »Mit Verlaub, ich bin ein Engel.«
    »Ein gefallener.«
    »Nur halbwegs gefallen. Außerdem war es deine Idee, mich zu beschwören. Schließlich habe ich mich nicht freiwillig gemeldet. Du willst die Geheimnisse aller Zeiten wissen. Jetzt hast du sie. Ihr Menschen seid doch nie zufrieden.« Anael gähnte und reckte die rabenschwarzen Flügel. Die funkelnden Sprenkel hörten auf zu wirbeln und bildeten nach und nach kleine Spiralmuster. »Ich muß los; ich bin es müde, all diese Fragen zu beantworten.«
    »Noch eine letzte kleine«, sagte Nostradamus. »Was ist ein südamerikanischer Präsident?«
    Doch der Geist war bereits verschwunden.

    Im Schloß von Fontainebleau wurde emsig ausgepackt. Mehrere schwere Karren mit Möbeln waren auf den schlammigen, ausgefahrenen Straßen steckengeblieben und erreichten erst jetzt den Hof, wo sie unter großem Durcheinander entladen wurden. Mägde mit Armen voller Bettwäsche trippelten durch die Flure, Scharen von Lakaien trugen schwere Kisten herein, während Diener die letzten Teppiche entrollten und den Gobelin im Empfangszimmer des Königs aufhängten. Auf dem Hof wimmelten die verschiedenen Haushaltungen durcheinander: die des Königs, die der Königin, die der anwesenden Hofdamen und Kammerherren, die der hohen Offiziere und des Adels, die mit dem Hof zogen und nicht auf ihren Ländereien weilten. Hinzu käme noch der Haushalt der Kinder, doch diese hielten sich wieder einmal wegen Ansteckungsgefahr in Blois auf. Sogar die Zwerge der Königin hatten ihren Haushofmeister, ihre Wäscherinnen, Diener und Haustiere. Durch diesen Tumult schritt die Königin, nur von zwei dames d'honneur begleitet, ohne nach rechts oder links zu blicken.
    Die Damen, die der Königin an diesem Tag aufwarteten, waren ihre engsten Vertrauten – Italienerinnen aus verbündeten Florentiner Familien, die französische Edelmänner geheiratet hatten. Sie stiegen zunächst eine breite, dann eine schmale Treppe hinunter, durchmaßen mehrere Schlafgemächer und gelangten zuletzt an eine niedrige Tür. Hier klopfte die Königin brüsk an, und als sich die Tür öffnete, bedeutete sie ihren beiden Begleiterinnen, draußen Wache zu halten. Der Raum, den sie betrat, war schlecht beleuchtet und staubig, die Gegenstände darin waren erst zur Hälfte ausgepackt. Leere Arbeitstische, in einer Ecke ein Athanor, der Sandbad-Ofen der Alchimisten,

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