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Die geheime Mission des Nostradamus

Titel: Die geheime Mission des Nostradamus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle Riley
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Haus ist verseucht von Geistern. Und alles wegen der Geschäfte meines Seligen. Kein zartbesaitetes Gemüt, dieser Mann. Er hat sie nie bemerkt.«
    »Aber Tantchen, sprach der afrikanische Kerl französisch, oder wie hat er dir die Rezeptur verraten?«
    »Er konnte nur ein paar Brocken Portugiesisch, die habe ich verstanden, und das reichte. Er wollte schon mit Möbeln werfen, aber als ich ihm mit dem Exorzisten drohte, bat er um Waffenstillstand. Dann habe ich ihm angeboten, einmal wöchentlich für die armen Seelen auf dem Grund des Meeres zu beten, und seitdem kommen wir gut miteinander aus.«
    »Ihr betet für Heiden?« Das rutschte Nostradamus' Diener, der interessiert zugehört hatte, unwillkürlich heraus.
    »Na und?« entgegnete Tantchen. Ich sah, wie die Augen von Doktor Nostradamus interessiert und verständnisvoll aufblitzten. Tantchen schien ihn zu faszinieren wie ein Wal oder ein Vulkan oder irgendeine andere gewaltige Manifestation der Natur. Seine behutsam forschenden Augen waren so aufmerksam wie die Fühler von Insekten. Zuerst musterte er Tantchen, dann mich. Offensichtlich waren wir ein Phänomen. Mein Gesicht wurde schon wieder heiß, und am liebsten wäre ich durch die halbgeöffnete Tür verschwunden.
    »Madame«, der alte Doktor hörte sich jetzt galant und besorgt zugleich an, »kann ich Euch im Gegenzug auch etwas Gutes – einen einmaligen – ehern, Gefallen tun?« Tantchens Miene war beklommen, sie nahm ihren Spazierstock, der am Fußende des Bettes gelehnt hatte, und deutete damit auf mich.
    »Meine Patentochter. Als ich hörte, daß Ihr verhext seid, dachte ich an eine Fügung des Himmels. Der große Nostradamus höchstpersönlich. Und ich habe die Gelegenheit beim Schopf ergriffen, wie Ihr Euch denken könnt.«
    »Ja, das kann ich mir sehr wohl denken«, sagte Nostradamus gespreizt, während er den knochigen, rosigen Fuß wieder unter die Bettdecke steckte und nach seiner Robe winkte.
    »Seit ich mein Haus voller Geister verlassen habe, stelle ich fest, daß ich geradezu fliege. An jeder Ecke eine andere Gelegenheit. Und ich ergreife jede. Leben. Luxus. Überall! Die mit Rosen bestickten Hausschuhe beispielsweise. Ich habe mir zwei Paar gekauft. Und dann natürlich Ihr.«
    »Ich rangiere also gleich hinter Schuhen. Madame, ich fühle mich geehrt.«
    »Macht Euch nichts daraus«, sagte Tantchen und wedelte mit der Hand, als wollte sie Fliegen verscheuchen. Ich wäre am liebsten gestorben. »Meine Sibille wird von einem abscheulichen mumifizierten Kopf in einem versilberten Kasten verfolgt. Seht Ihr? Da ist er, nimmt auf Eurem Nachttisch Gestalt an.« Nostradamus blickte erschrocken, und ich sah deutlich, daß ihn schauderte. »Da Ihr die Geheimnisse aller Zeiten kennt, habe ich mir gedacht, Ihr wißt auch, wie man ihn los wird. Nachts weckt er sie mit seinem Geschwätz, und ständig bietet er an, uns unsere Herzenswünsche zu erfüllen. Obendrein macht er recht unhöfliche Bemerkungen über meine Haushaltsführung. Ich habe versucht, ihn in den Fluß zu werfen, aber er kommt immer wieder zurück.«
    »Madame Tournet, das Ding habe ich früher im Besitz eines nun dahingeschiedenen Freundes gesehen. Es ist die Quintessenz des Bösen. Ich nehme an, sie hat den Kasten geöffnet und dem Ding ins Gesicht geblickt?«
    »Genau das hat sie getan.«
    »Dann hatte er zu der Zeit keinen Besitzer. Er hängt sich wie ein Blutegel an den ersten, der den Kasten öffnet, und erfüllt ihm unablässig die innigsten Wünsche, bis er ihn ins Grab und in die ewige Verdammnis gerissen hat.«
    »Noch schlimmer als ich dachte«, sagte Tantchen. Der Kasten gab einen bösen Pfeifton von sich. »Du da drinnen, sei still. Ich berate mich mit dem weisesten Mann der Welt! Ich bitte um etwas mehr Respekt.« Sie versetzte dem Kasten mehrere Schläge mit dem Spazierstock.
    »Ich habe dir doch gesagt, daß du das nicht tun sollst«, ertönte es zornig aus dem Kasten.
    »Ich an Eurer Stelle würde es auch nicht tun«, sagte Nostradamus sanft, aber mit anerkennendem Blick, in dem jedoch Entsetzen mitschwang.
    »Du da draußen. Du bist Michel de Nostredame, nicht wahr? Der französische Laffe, der sich einbildet, alles zu wissen. Nur Scaliger, der Tor, bildet sich noch mehr ein. Hast du die ganze Zeit bei ihm herumgelungert, Michel, du Tappergreis? Ist dein Bart seit unserer ersten Begegnung grau geworden? Vermutlich wirst du allmählich alt. Hättest du nicht gern ein paar Jährchen mehr für deine Studien? Bedenke, wieviel

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