Die geheime Mission des Nostradamus
Gutes du damit tun könntest. Michel de Nostredame, der Retter Frankreichs – nein, der Retter der Menschheit! Das könntest du sein, Michel. Aber dazu braucht man Zeit, nicht wahr? Ich habe dir das Geheimnis des ewigen Lebens zu bieten. Es ist echt. Ägyptisch.«
»Scaliger und ich haben uns getrennt, Menander. Und mir etwas von dir zu wünschen, nein, das kommt überhaupt nicht in Frage. Ich habe von der Bitternis des von dir dargebotenen Bechers gekostet. Und ich habe gehört, was du mit Josephus gemacht hast.«
»Bitternis? Ich habe dir genau das gegeben, was du haben wolltest. Du hast das nicht richtig durchdacht. Die Gabe, wirklich in die Zukunft sehen zu können, habe ich recht? Hast du sie etwa nicht bekommen? Und dann warst du so niederträchtig, daß du obendrein noch gemogelt hast. Aber dir, einem alten Freund, gewähre ich noch einen Wunsch, und dieses Mal könntest du ihn besser formulieren. Dieses Mal – bedenke, falls du ewig lebst, könntest du erfahren, ob deine Prophezeiungen in Centuries auch in Erfüllung gehen.«
»Schon wieder irrst du. Zu meinem Glück habe ich mich, nachdem ich das Geheimnis aller Zeiten entdeckte, zunächst dafür entschieden, das Geheimnis des Glücks zu ergründen, und dabei habe ich nicht nur herausgefunden, wie ich dir entrinnen kann, sondern auch, daß ich nicht ewig leben muß. Sieh dich doch selbst an, eingekerkert in diesen Kasten, nicht mehr Herr deines Schicksals und dazu verurteilt, auf ewig an den alten Fehler erinnert zu werden, nämlich, daß du um Unsterblichkeit batest, ohne die Bedingungen näher zu erläutern.«
»Ich habe ganz und gar keinen Fehler gemacht. Ich bin jedenfalls sehr glücklich, wenn jemand die gewissen Worte spricht, und dann erfülle ich ihm seine Herzenswünsche.«
»Und diese Wünsche sind vergiftet und martern die Menschen mit Bedauern und unendlichem Leid.«
»Ich habe dir gesagt, daß mich das glücklich macht.« Das Ding verfiel in Schweigen.
»Schlicht und ergreifend gehässig«, kommentierte Tantchen.
»Ihr habt Euch doch noch nichts gewünscht?« fragte der große Prophet.
»Kein einziges Mal. Keine von uns. Ich denke mir, deshalb folgt es uns überallhin, statt zu Hause im Regal zu bleiben.«
»Mit seinen eigenen Wünschen führt es einen nämlich ins Verderben. Man formuliert sie nie ganz richtig. Und das Ding ist wiederum sehr gerissen und nimmt alles buchstäblich. Man wünscht sich Geld, und schon stirbt ein geliebter Verwandter und vermacht es einem. Man wünscht sich Liebe und bekommt die zudringliche Anbetung irgendeines Flegels, den man schon bald loswerden will. Man möchte den Wunsch verbessern und macht alles nur noch schlimmer. Das Opfer wird von Verzweiflung und Entsetzen getrieben und geht allmählich bei vollem Bewußtsein der Verdammnis entgegen. Manch einer wird verrückt und stürzt sich von hochgelegenen Stellen hinab oder setzt sich selbst in Brand. Ewige Qualen, erst in dieser Welt, dann in der nächsten. Gräßlich, so zu enden.«
»O je«, sagte Tantchen. »So ungefähr habe ich es mir gedacht. Und dabei hatten Sibille und ich so viel Spaß am Einkaufen.«
»Bei den Griechen, den Römern, den Ägyptern. Im Laufe der Jahrhunderte hat es eine Spur des Unheils hinter sich gelassen«, fuhr Nostradamus fort. »Nach der Plünderung Roms war es für geraume Zeit verschwunden…«
»Eins meiner besten Kunststücke«, meldete sich die widerliche Stimme aus dem Kasten wieder zu Wort. »Ich habe aus sechs sich widersprechenden Wünschen einen gemacht – das hat gründliches Nachdenken erfordert…«
»Einmal habe ich die Schatulle in Konstantinopel gesehen. Danach soll sie in Venedig gewesen sein, im Besitz von Josephus Magister. Ich hatte gehofft, sie würde nie den Weg nach Frankreich finden.«
»Ich habe das Hexenpulver an ihm ausprobiert«, sagte Tantchen unvermittelt.
»Und mit welchem Ergebnis?« fragte der Seher.
»Wehe Euch, Ihr macht das noch einmal«, schimpfte das Ding im Kasten.
»Es mußte niesen.«
»Habt ihr eine Vorstellung, wie es ist, wenn man in einem Kasten niesen muß?« fragte Menander der Unsterbliche. »Macht das Ding auf, ich will sehen, wie der große Nostradamus derzeit aussieht. Älter vermutlich.«
Ich wollte schon zum Kasten gehen, doch der alte Mann warnte mich: »Junge Dame, Ihr schwebt in höchster Gefahr. Es ist willens, jahrelang auf der Lauer zu liegen. Es wird Euch an Eurer schwächsten Stelle angreifen, die in Eurem Fall nicht Habgier oder Machtlust ist,
Weitere Kostenlose Bücher