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Die geheime Mission des Nostradamus

Titel: Die geheime Mission des Nostradamus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle Riley
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selbst mit benebeltem Hirn noch schärfer dachte als jeder gesunde Mensch.
    »Und ich könnte beschwören, daß ich die Jüngere gekannt habe. Die junge Frau von der Landstraße nach Orléans, nur jetzt so aufgetakelt, daß sie in dem blauen Reisekleid mit Schlitzärmeln und seidenen Paspeln kaum wiederzuerkennen war. Sie tat irgendwie verlegen.«
    »Und das mit Recht – falls sie so dumm gewesen ist, den Kasten zu öffnen. Er wird ihr folgen, bis er sie umgebracht hat, Léon. Ich wußte doch, sie hatte etwas an sich. Habe ich dir das nicht gesagt? Sie hält den Schlüssel in Händen. Irgendwie ist sie mitten in Anaels historischen Kuddelmuddel hineingeraten. Dieser unselige Engel, warum hält er seinen Schrank nicht besser in Ordnung? Und die gräßliche Schatulle – sie führt auf geradem Weg in die Hölle und ist durchaus in der Lage, das ganze Land in den Untergang zu reißen. Kein Wunder, daß ich letztens so viele schreckliche Visionen hatte: Wie kann ich – oh – Frankreich retten? Wo sie den Kasten wohl gefunden hat… Oh, diese Schmerzen. Völlig anders als Gicht. Bei Gott, meine Füße fühlen sich an, als würden sie ins Feuer gehalten, und scheinen blau, als ob sie erfroren wären. Es zermalmt mir die Brust. Die Bettdecke – weg von meinem Herzen… So etwas… so etwas habe ich noch nie erlebt. Vielleicht hat die alte Harpye doch recht gehabt. Mittlerweile bin ich willens, alles zu versuchen. Hol sie her, Leon. Falls es diesem gräßlichen Kasten gelingt, das zu tun, was er immer tut, geht er schon bald in den Besitz eines anderen über, und die Welt wird die beiden niemals wiedersehen. O mein Gott, diese Schmerzen. Wo ist mein Opium?« Leon schob die Bettdecke erneut zurecht, hob den Kopf seines Herrn vom Kissen und löffelte ihm die letzte Dosis Opiumtinktur aus der Flasche ein. Dann rannte er zum Gasthof mit dem Wirtshausschild des heiligen Michael.

    Am anderen Ende der Stadt hatten die beiden Brüder Ruggieri die Tür zu Lorenzos kleinem Arbeitszimmer zugesperrt. Eine Wachspuppe, einen Stoffetzen um die Taille und Nadeln in den Gliedmaßen, lag neben einer mit Wasser gefüllten Schüssel und einer brennenden Kerze.
    »Es klappt, Lorenzo. Die Königin selbst hat sich beschwert, daß Nostradamus vorgibt, er habe die Gicht, um nicht sogleich nach Blois aufbrechen zu müssen. Sie argwöhnt, daß er länger in Paris verweilen und Kundschaft empfangen möchte. Also, jetzt vermitteln wir ihm das Gefühl des Ertrinkens. Ganz gewiß glaubt sie, daß er sich krank stellt.«
    »Erledige ihn, Cosmo. Je länger er in Paris bleibt, desto schlechter laufen unsere Geschäfte.«
    »Nein, erst will ich ihn in Verruf bringen. Ich habe dieses ›Nostradamus dies, Nostradamus das‹, als wäre er das Orakel des Jahrhunderts, herzlich satt. Auf diese Weise vergilt sie meine treuen Dienste. Fliegt auf jeden neuen Scharlatan, von dem sie hört, sucht nach Garantien für Glück! Nein, ich will langsam vorgehen. Er soll das Bett hüten, und dann jeden Tag ein anderes Leiden erfahren. Seinen Kopf über die Flamme halten, schön langsam, damit ihm das Hirn Stück für Stück schmilzt. Wenn ich mit ihm fertig bin, wird niemand mehr im Traum daran denken, mir meinen Platz streitig zu machen.«

    »Hm«, Tantchen musterte die blauen Füße, »eindeutig keine Gicht. Ihr seid verhext. Ich spüre es. Fehlt Euch etwas Persönliches? Ein Haar? Ein Schnipsel vom Fingernagel?« Doch der alte Prophet murmelte unzusammenhängende Worte, erstickte fast daran und prustete, als ob man ihm den Kopf unter Wasser hielt.
    »Ihr seht, wie es um ihn steht. Schnell, Madame, falls Ihr ihm helfen könnt«, flehte sein entsetzter Diener.
    »Baptiste, gib mir mein Hexenpulver. Ich reise nie ohne Hexenpulver. Sibille, schlag die kleine Trommel, die ich dir gegeben habe.« Baptiste griff in einen Holzkasten und reichte ihr ein zugestöpseltes Fläschchen, das halb mit einem giftig aussehenden, grünlichbraunen Pulver gefüllt war. Sie nahm eine kleine Prise und verstreute sie, wie man einen Topf mit Suppe salzen würde.
    »Schluß mit dem teuflischen Krach«, sagte der große Nostradamus, schlug die Augen auf, prustete und wischte sich das Gesicht.
    »Ha!« sagte Tantchen. »Es klappt doch immer.«
    »Soll ich noch trommeln?« fragte ich. Es war eine kleine Trommel, kaum größer als ein kleiner Pokal aus dunklem Metall mit exotischen Mustern, die in Gold eingeritzt waren. Das straff gespannte Trommelfell hatte eine sehr unheimliche bräunliche

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