Die geheime Mission des Nostradamus
An dem Paar war eindeutig nichts zu verdienen.
»Hier ist die Straße. Sie wohnt um die Ecke, fast am anderen Ende«, flüsterte der Größere.
»Eine sehr gefällige Gegend«, sagte der Stämmige.
»Ich habe dir doch gesagt, Alonzo ist reich.«
»Wenn sie das Fenster aufmacht, was dann?«
»… werfe ich ihr den Brief zu.«
»Aber was ist, wenn sie das Fenster nicht öffnet?«
»Sie muß, sie muß einfach. Sonst kann sie doch überhaupt nicht darauf hoffen, ihm zu entrinnen.«
»Still, ich höre etwas… da sieh mal, hinter der Biegung – all diese Menschen. Laternen. Und Musik – ein anderer Ständchenbringer ist dir zuvorgekommen, Nicolas…«
»Drei Violen, eine Laute, zwei Oboen und eine Trompete… Was für eine Katzenmusik! Die knöpfe ich mir vor! Ich jage sie alle miteinander in den Fluß! Bei Gott, sie beleidigen die Nacht mit ihrem Gejaule!«
»Nicolas, sie sind in der Überzahl – sei kein Narr-, sie sind bis an die Zähne bewaffnet, und sieh mal, da im Dunkel, du bist nicht der erste Rivale Alonzos…« Unter dem überhängenden Stockwerk des Nachbarhauses warteten drei vornehme Herren darauf, ob die Serenade die Geliebte oder die Duena auf den Plan rufen würde. Das Fenster ging auf, und da stand sie, ein bleicher Schatten, ihr weißes Nachtgewand angestrahlt vom schwachen und flackernden Schein der Kerzen hinten im Raum. Nicolas stand wie festgenagelt. Sogar sein Freund stieß einen Ausruf der Bewunderung aus. Einer der unbekannten Herren trat vor die Musikanten und hob an, ein Gedicht zu deklamieren.
»Kein weiteres Wort, du dünkelhafter Papagei!« schrie Nicolas, zog sein Schwert und übergab die Fackel seinem Begleiter. »Die Dame ist zu klug, um auf deine billigen, gekauften Verse zu hören.« Die Musikanten staunten und hielten inne.
»Was weißt denn du von dieser Dame, du Schandmaul?« rief der Unbekannte, warf sein Gedicht fort und zog seinerseits das Schwert. »Sprich ihren Namen aus, und ich zerteile dich wie einen Braten.« Nicolas' Gefährte löschte beide Fackeln und faßte nach seinem Schwertgriff.
»Sie verachtet dich, du hohlköpfiger Geck!« rief Nicolas, Schrammen und Klirren von Stahl, doch die anderen waren sichtlich in der Übermacht.
Genau in diesem Augenblick wurden sie von einem sonderbaren Gekreisch innen im Raum abgelenkt, gefolgt von einer Frauenstimme, die rief: »Señor Alonzo! Nein!« und dann etwas Unverständliches. Beide Männer blickten hoch und sahen, wie die Hand eines Unbekannten die Läden mit einem Knall zuschlug.
»Da seht Ihr, was Ihr angerichtet habt!« rief der unbekannte Herr, doch als er sich umblickte, war niemand da, nur seine eigenen Musikanten und Gefährten. Nicolas und sein Freund hatten sich die Ablenkung zunutze gemacht und waren in der Dunkelheit verschwunden.
»Sie hat geschrien. Ich habe ihren Schrei gehört. Und jemand hat das Fenster zugeschlagen. Das war Alonzo, da drinnen, er hat Rache geübt, sie vielleicht geschlagen…«
»Nicolas, ich habe gehört, daß die Duena ihm nein zugerufen hat, als die Schwerter gezogen wurden. Der Schrei, das war die Demoiselle, die in Ohnmacht gefallen ist. Es war der Mann unter dem Fenster, dem die Duena etwas zugerufen hat. Der da war Alonzo höchstpersönlich, mit seinen Musikanten. Fast hättest du ihn erledigt.« Doch Nicolas blickte grimmig.
»Oder es gibt zwei von der Sorte. Den verabscheuungswürdigen Alonzo drinnen und den Stutzer draußen. Auf mein Wort, ich folge ihr, bis ich das Geheimnis gelüftet habe, dann komme ich zurück. Zu dir, zu den anderen. Machst du mit, Robert?«
»Immer. Wir tunken sie allesamt in den Fluß.«
»Und Alonzo muß sterben«, sagte Nicolas. »Das erfordert meine Ehre.«
»Das ist Männersache, Majestät. Das Los der Frauen ist das Leiden«, sagte Madame d'Alamanni. »Ist das nicht immer so gewesen?« Die schwere vergoldete Tür hatte sich hinter dem Alten Konnetabel geschlossen, und Katharina von Medici war allein mit zwei vertrauenswürdigen Damen. Die Königin atmete schwer und legte die Hand aufs Herz.
»Das also hat mein Traum der letzten drei Nächte bedeutet«, sagte sie. »Träume vom Untergang, Träume von Blut. Und mittendrin habe ich das Gesicht meiner Tochter Elisabeth gesehen. O Gott, es war so weiß wie der Tod! Was hat das zu bedeuten? Was ist, wenn wir in diesem Krieg nicht siegen? Der König, mein Gemahl, muß zu Biragues gehen, zu Gondi, zu den italienischen Bankiers. Ich muß ihn anflehen, daß er auf mich hört, weil ich von
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