Die geheime Mission des Nostradamus
Blut geträumt habe.«
»Aber, Madame, der Konnetabel hat gesagt, die Guise wollen nicht, daß er sich an die Italiener wendet. Die glauben doch, wir Frauen verstünden nichts von Krieg und Finanzen. Und obwohl Ihr die Gabe prophetischer Träume besitzt, haben sie ihre Pläne gemacht und hören nicht auf Euch.«
»Sie hören nicht! Sie hören nicht! Der König, mein Gemahl, macht sich lustig über meine Gabe, die er zu seinem eigenen Schaden geringachtet! Und auf wen hört er? Auf diese vertrocknete, ehrgeizige, geldgierige Frau, die mich auf Schritt und Tritt verfolgt. Nicht einmal im Kindbett oder wenn ich krank bin, entkomme ich ihr. Schon ist sie zur Stelle, leitet alles, sagt ihm, was er tun soll, als wäre sie ich – und ich nichts. Und wo ist er heute abend? In ihrem Bett! Und hört auf sie!«
»Gewiß…«
»So gewiß, wie es im Winter schneit, sagt sie ihm in diesem Augenblick, was für ein bedeutender Krieger er ist, und macht ihn so aufgeblasen, daß er nicht mehr daran zweifelt, daß die Pläne ihrer Verwandten, dieser Guise, Frankreich Ruhm und Ehre eintragen und ein neues Reich, das aus den spanischen Besitzungen aufgebaut wird. Ich kenne sie – sie plant schon ihren triumphalen Einzug in Toledo! Sie hat bereits Dichter beauftragt, die den Sieg preisen, und Maler, die ihr neue Fahnen gestalten. Wie sie an mir zehrt, diese Frau, und selbst die Haare auf meinem Kopf verachten sie noch!«
»Majestät, Ihr müßt umsichtig vorgehen.«
»Und dabei habe ich dem König, meinem Gemahl, eine Nachricht wegen meines Traums geschickt. Er aber sagt, er sei zu sehr mit Staatsgeschäften beschäftigt und dürfe nicht gestört werden. Seine Staatsgeschäfte haben ihn genau an diesem Abend jedoch nicht von einem Besuch bei der Herzogin von Valentinois abgehalten. O diese Schande. Er setzt den Thron meines Sohns aufs Spiel, weil ihn diese Dämonin verhext hat. Und ich sage Euch, ich kann auch mit dem Teufel verhandeln.« Damit wandte sie sich an Madame d'Elbène, ihre engste dame d'honneur: »Lucrèce, ich möchte, daß Ihr auf der Stelle einen Pagen ruft. Er soll diese Demoiselle de la Roque und ihren Zauberkasten holen. Ich will sie noch heute hier haben, noch vor Einbruch der Dunkelheit.«
Als Madame d'Elbène auf der Suche nach einem Boten davontrippelte, wandte sich die Königin an Madame Gondi. »Maddalena, holt meine schwarzen Kerzen und meine Leinenrobe. Heute abend begnüge ich mich nicht mit Prophezeiungen: Diesmal werde ich selbst eingreifen.«
»Oh, Majestät…«
»Warum beeilt Ihr Euch nicht? Habe ich Euch nicht einen Befehl erteilt?«
»Aber… wenn Ihr Nostradamus befragen könntet… dann wüßtet Ihr, wie alles ausgeht.«
»Zweifelt Ihr an meinen Träumen? Habe ich während meiner letzten Schwangerschaft nicht geträumt, daß sich eine schwarze Gestalt mit Kapuze über eine Doppelwiege beugt? Und als ich Zwillinge geboren hatte, da wußte ich, daß sich mein Traum erfüllt hatte und beide zum Sterben verurteilt waren. Meine Träume sind eine echte Warnung! Außerdem ist Nostradamus erst Ende der Woche aus Blois zurück. Bis dahin sind sie bereits auf dem besten Weg, den Friedensvertrag zu brechen. Nein, es muß heute abend sein. Heute abend bezwinge ich den bösen Zauber der Herzogin mit dem Herrn aller Wünsche.«
Bei unserer Rückkehr von Saint-Germain hatte Tantchen geräumige Zimmer in einem Haus in der Rue de la Cerisaie gemietet, die günstig zu dem netteren Viertel um das alte Hostel de St.-Pol gelegen waren, wo heute viele vornehme Leute wohnen. In dieser Umgebung war ihre lange begrabene Leidenschaft für ein gesellschaftliches Leben wieder erwacht. Sie war auf der Jagd nach Gästen. Doch in einem blieb sie unerbittlich: Philippe d'Estouville sollte keine Einladung erhalten.
»Laß sehen, Dienstagabend könnten wir eine Auswahl erlesener Geister hier versammeln.«
»Aber Tantchen, warum nicht M. d'Estouville?«
»Ich mag ihn nicht. Ich kann ihn nicht riechen. Er wird dir nichts als Ärger bereiten… Uff, wenn nur dieser gräßliche Gichtanfall etwas nachläßt. Théophile, teurer Vetter, ich habe das Gefühl, ins Bad reisen zu müssen. Enghien ist vielleicht nicht so vornehm wie Evian-les-Bains, aber so bequem gelegen. Und das Heilwasser – so angenehm schwefelhaltig.«
Die Pferde waren bereits angeschirrt, als die ersten Tropfen vom Himmel fielen. Tantchen zögerte auch nicht einen Augenblick und ließ die Sänfte wieder in den Stall bringen. »Bei Regen reise ich nicht.
Weitere Kostenlose Bücher