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Die geheime Mission des Nostradamus

Titel: Die geheime Mission des Nostradamus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle Riley
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Das verschlimmert meine Gicht nur noch.« Ehe wir auch nur halb ausgepackt hatten, war der blaue Himmel dunkel und grau geworden, und als wir das jeu de dames aufgebaut hatten, prasselte der Regen gegen die Fensterläden.
    »Nach dort mußt du springen, siehst du das denn nicht?« sagte Tantchen, die mir über die Schulter blickte.
    »Das ist eine Falle, Tantchen – schau mal da. Der Abbé liegt wie ein Wolf nach meinem Stein auf der Lauer. Dann kann er dahin springen… und dahin…«
    »Base Sibille, wie unfein von Euch, mir auf die Schliche zu kommen…« Jemand hämmerte auf die Haustür ein, und Arnaud führte einen Knaben und zwei Soldaten der königlichen Garde mit schweren, tropfnassen Umhängen, schmutzbespritzten Stiefeln und Reithosen ins Zimmer. Der Knabe war ein Page, den wir im Haushalt des Königs gesehen hatten.
    »Die Königin wünscht Demoiselle de la Roque noch heute vor ihr Angesicht, und sie soll eine gewisse Schatulle mitbringen, die sie in ihrem Gewahrsam hat. Ihr wüßtet schon, um welche Schatulle es sich handelt.«
    »Und ob«, sagte Tantchen. »Aber erst müßt Ihr trocknen und etwas zu Euch nehmen. An diesem Tag reist man besser nicht, ohne zu essen.«
    »Madame, wir würden Euer Angebot gern annehmen, aber wir müssen sofort zurück, wenn wir vor Einbruch der Dunkelheit in Saint-Germain sein wollen. Wenn der Palast nach dem coucher des Königs erst abgeriegelt ist, wird nicht einmal der Papst hineingelassen. Wir sind schon in Verzug, weil wir in Les Tournelles frische Pferde genommen haben. Wir müssen los… ah, ich sehe, die Demoiselle ist reisefertig…«
    Als ich den versilberten Kasten in die Reisetasche stopfte, sagte der Abbé: »Meine teure Base, was ist mit dem Spiel?«
    »Laßt das Brett so stehen, ich bin gewiß schnell zurück. Und vergeßt nicht, ich habe ein ausgezeichnetes Gedächtnis…«
    »Sibille, nimm dich in acht«, mahnte Tantchen und drückte mich an ihren üppigen Busen. »Ich habe bei dieser Sache ein ungutes Gefühl. Geh nirgends allein hin. Versprich mir…«
    Wir ritten in forschem Trab durch die verlassenen Straßen, Schmutzwasser spritzte auf, und der Regen klatschte uns ins Gesicht. Unter dem Stadttor legten wir eine kurze Pause ein. Als wir Mauern und Wallgraben hinter uns gelassen hatten, trieben wir dort, wo die Straße es zuließ, die Pferde zum leichten Galopp an. Und so ging es querfeldein und fort von den dunklen Fluten des rauschenden Flusses. Die Hufe der Pferde schleuderten dicke Lehmklumpen hoch, und selbst als der Regen nachließ, wurde der Ritt nicht angenehmer, denn nun ging es durch eine bewaldete Gegend, und die Bäume luden ihr Wasser auf uns ab.
    Es war fast dunkel, als wir über uns auf dem Felsvorsprung die Türme des alten Schlosses erblickten, die unter dahineilenden grauen Wolken dräuten. Bäume und Nebengebäude waren zu schwarzen Schatten geworden, und schon konnte man in den Fenstern von König Heinrichs neuem Schloß flackernden Kerzenschein erkennen. Das Schloß war in modernem Stil unterhalb der massigen alten Festung erbaut worden.
    »Gott sei Dank, die Tore sind noch offen. Die Königin würde keine Entschuldigung hinnehmen.« Der Junge erschauderte, und ich war mir nicht sicher, ob es nur die nassen Kleider waren.
    Die Schweizergarde war schon im Schloßhof, als wir einritten; gerade wollte sie die Tore verrammeln und die Fackeln entzünden, die während der Nacht in den vier Ecken des Hofes brennen würden. In der Ferne hörte man noch den Donner grollen. Der Knabe ergriff meinen Arm, damit ich auf dem glitschigen unebenen Pflaster nicht ausrutschte, denn jetzt gingen wir zu Fuß. Nur Mitgliedern der königlichen Familie war es vorbehalten, hoch zu Roß oder in der Sänfte den Hof zu durchqueren. Im Schloß verteilten sich auf den Treppen bereits Bogenschützen, und Hausdiener entzündeten Fackeln, die des Nachts die steinernen Flure, die öffentlichen Säle und die Treppenabsätze erhellten. Paläste sind nachts wie Städte, da gibt es Verbrechen, Blut und heimliches Geflüster in dunklen Korridoren. Und vielleicht lebt man in ihnen noch gefährlicher, denn man ist weniger auf Böses gefaßt als in einer städtischen Hintergasse.
    Der Knabe führte mich zu einer reichverzierten verschlossenen Tür, wo eine Hofdame auf sein Klopfen antwortete, ihn entließ und mich hineinbat.
    »Gut«, sagte sie, »Ihr seid gerade noch rechtzeitig gekommen. Gebt mir schnell die Schatulle, dann schicke ich nach einer Dienerin, die Euch

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