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Die geheime Reise

Titel: Die geheime Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Abedi
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abrupt stehen, dass Mischa fast in sie hineingelaufen wäre.
    Auf einem hohen, nur von hier aus sichtbarem Felsvorsprung erhob sich eine Ruine, die seltsam dunkel aussah, als ob sie in einem unsichtbaren Schatten stünde. Selbst das Stück Himmel um sie her war grau.
    »Was ist das?« Wanjas Stimme hallte richtig und Taro drehte sich zu ihr um.
    »Eine mittelalterliche Burg, zumindest ist sie das einmal gewesen. Sie wurde vor Jahrhunderten von den feindlichen Truppen irgendeines Herrschers zerstört, ihre Überreste sollen danach als Gefängnis gedient haben. Aber keine Angst.« Taro lächelte über Wanjas erschrockenes Gesicht. »Heute lebt dort niemand mehr. Wenn ihr Lust habt, können wir vielleicht mal dorthin. Seht ihr, da drüben kann man rüber.« Taro zeigte auf den schmalen Pfad, der sich zu dem Felsen hinaufschlängelte. Er war noch höher als der Felsbalkon, auf dem sie gerade gesessen hatten.
    »Aber jetzt«, Taro wandte sich zum Weitergehen, »sollten wir wirklich machen, dass wir zurückkommen.«
    Doch Wanja stand noch immer da, wie angewurzelt. Sie hatte etwas Kleines, Schwarzes entdeckt, das hoch oben auf dem abgebrochenen Burgturm saß. Wieder rollte ein Stein unter ihren Füßen nach unten und im nächsten Moment war der schwarze Fleck verschwunden. Die Ruine leuchtete jetzt sandsteinfarben in der untergehenden Sonne.
    Als sie kurz darauf wieder in den Schatten des Waldes bogen, wurde es eng um Wanjas Brust. Sie legte ihre Hände auf das weiche Fell von Sandesh, auf dessen Rücken sie wieder saß. Ihre Finger fühlten sich plötzlich kalt an. »Ist der Vogel noch mal aufgetaucht, Taro?«
    Taro hob einen glatten hellen Stein auf, der am Waldboden lag, und wog ihn in seiner Handfläche. »Nein, ist er nicht. Ich habe ihn seit eurem letzten Besuch nicht mehr gesehen.«
    Wanja war mit einem Mal zum Heulen zu Mute. »Aber was wollte er, Taro? Hattest du nicht das Gefühl, dass er etwas von dir wollte? Ich meine, als … als diese Feder in deinen Teller gesegelt ist. Fandest du das nicht seltsam?«
    Taros Schweigen sagte ihr, dass er nicht wusste, was der Vogel wollte. Es sagte ihr, dass auch er die herabsegelnde Feder als bedrohlich empfunden hatte und dass auch er in Sorge war, und plötzlich merkte Wanja, dass sie ihm seine Ratlosigkeit übel nahm, dass sie von Taro eine Antwort erwartete . Sie öffnete den Mund, um ihrem Ärger Luft zu machen. Aber sie kam nicht dazu.
    Sandesh war stehen geblieben. So unvermittelt, dass Wanja fast von seinem Rücken rutschte. Sie krallte sich an seiner Mähne fest. Was? Was war los? Jeder Muskel des Pferdes war jetzt angespannt, als hätte sich Wanjas Angst auf ihn übertragen. Taro drehte sich zu ihnen um, runzelte die Stirn, doch als er seine Hand nach Sandesh ausstreckte, riss das Pferd den Kopf zurück. Schnaubte. Legte die Ohren an. Jetzt drehte sich auch Mischa um und im selben Moment bäumte Sandesh sich auf. Seine Vorderbeine traten ins Leere und Wanja versuchte verzweifelt einen Halt zu finden, aber Sandesh ging wieder nach unten, schlug jetzt mit den Hinterbeinen aus und schleuderte Wanja von seinem Rücken. Dann jagte er davon, in wildem Galopp, als wäre der Teufel hinter ihm her.
    Wanja rappelte sich auf, zu schockiert, um etwas zu sagen, und gerade als sie feststellte, dass ihr nichts geschehen war, sah sie durch die Baumkronen hindurch den Schatten. Düstere Wolken jagten, nein, flohen über den Himmel, der Wald verfinsterte sich, Taro, Mischa, sie selbst, alles wurde dunkel und die Äste der Bäume schienen Wanja plötzlich wie knorrige Arme, bedrohlich ausgestreckt in alle Richtungen.

    Auf einem dieser Arme saß er. Der schwarze Vogel. Lautlos hockte das unheimliche Wesen auf dem dürren Ast, der sich unter seinem Gewicht nach unten bog. In Wanja breitete sich eine übermächtige Angst aus. Der Vogel stieß ein schrilles Krächzen aus, erhob sich und flog über ihren Kopf hinweg. Dicht vor Taro kam er in der Luft zum Stehen. Wanja wollte aufspringen, aber das Bild, das sich ihr bot, lähmte ihren ganzen Körper. Sie sah Taros Gesicht nicht mehr, weil das schwarze Tier mit metallisch klingenden, schlagenden Flügeln plötzlich auf schreckliche Weise so wirkte, als wäre es der Kopf von Taros Körper.
    Dann griff der Vogel an. Seine riesigen Krallen schlugen sich in Taros Brust und an den ruckartigen Bewegungen des schwarzen Kopfes erkannte Wanja, dass die Bestie auf die Schulter seines Opfer einhackte.
    Auch Mischa stand zunächst da wie erstarrt,

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