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Die geheime Sammlung

Die geheime Sammlung

Titel: Die geheime Sammlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polly Shulman
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sehr … nett«, sagte er.
    Diese Veränderung bei Aaron warf in mir die Frage auf, wie es sich wohl anfühlen würde, jemanden – selbst einen weniger netten Jungen wie Aaron – zu haben, der mich anschaute, wie er eben Anjali angeschaut hatte.
    Ich hoffte, es eines Tages herauszufinden.

[home]
    Kapitel 4
    Ich begegne der Bestie, Marc Merritt benimmt sich konfus
    A n jenem Samstag ließ das arktische Wetter langsam nach. Nach meiner Morgenschicht im Archiv schlenderte ich durch den Central Park, als ein Bär durch den Schnee auf mich zugesprungen kam. Ich blieb wie angewurzelt stehen.
    Als er näher kam, sah ich, dass es kein Bär war, sondern ein bärengroßer, struppiger Hund, dessen Gebell in der gefrorenen Luft widerhallte.
    »Greif, Platz!«
    Schlitternd kam der Hund vor mir zum Stehen, und ich wich einen Schritt zurück. Er wedelte mit dem Schwanz, das war beruhigend. Dann legte er mir seine großen, nassen Pfoten auf die Schultern und versuchte, mir durchs Gesicht zu lecken.
    »Kenne ich dich?«, fragte ich den Hund und versuchte mich wegzuducken.
    »Runter, Greif! Wirf Elizabeth nicht um!«, sagte eine mir bekannte, strenge Stimme. Es war Mr.Mauskopf. Er packte den Hund mit seinen langen Fingern.
    Das musste also die Bestie sein.
    Der Hund setzte sich auf seine Hinterläufe, legte den Kopf zur Seite, drehte seine Ohren nach vorn und schaute mich aus untertassengroßen Augen an. Er musste nicht weit nach oben schauen, wir waren mehr oder weniger auf Augenhöhe. Er hob eine dicke, haarige Pfote und streckte sie mir entgegen.
    »Wie geht es Ihnen?«, fragte ich und schüttelte die Pfote. Sie war schwer wie ein Sack Zwiebeln.
    Die Bestie nahm das als Einladung, ihre Pfoten wieder auf meine Schultern zu legen.
    »Runter, Greif! Ich sagte runter!«, befahl Mr.Mauskopf, und der Hund setzte sich wieder. »Er scheint dich zu mögen.«
    »Braver Hund«, sagte ich amüsiert. Obwohl Mr.Mauskopf als überaus streng galt, schien er den Hund nicht unter Kontrolle zu haben. Offenbar war er weicher, als er zugeben wollte. Ich klopfte Greif auf seine unebene, struppige Schulter. Er streckte die Zunge heraus und leckte sein ganzes Hinterteil ab.
    »Schöner Tag für einen Spaziergang«, sagte Mr.Mauskopf.
    »Zumindest ist es wärmer als gestern. Ich bin gerade fertig mit meiner Schicht im Archiv.«
    »Ja, darüber wollte ich mit dir sprechen. Wie läuft es im Archiv?«
    »Ich finde es großartig. Es ist so, als dürfte man die Sachen in den Museen aus den Vitrinen nehmen, um sie anzufassen.«
    Mr.Mauskopf lächelte. »Ich erinnere mich an dieses Gefühl. Bevor ich anfing im Archiv zu arbeiten, habe ich mir nie viel Gedanken über Gegenstände gemacht. Für mich war ein Löffel einfach nur ein Löffel. Dann teilte mich mein Vorgesetzter für Magazin neun ein und ich sah Tausende von Löffeln in verschiedenen Größen, Formen, unterschiedlich verziert und zu allem Möglichen nutze. Mir wurde klar, dass sie nicht einfach herbeigezaubert werden. Irgendjemand hatte über jeden einzelnen nachgedacht und entschieden, wie er sein soll; auch über die Form und das Material. Es war, als hätte sich mir eine neue Welt geöffnet. Ich glaube, damals begann ich mich für Geschichte zu interessieren.«
    »Das verstehe ich. Ms.Callender hat mir die Perücke von Marie Antoinette gezeigt. Dadurch wird einem erst richtig klar, dass sie wirklich gelebt hat.«
    Er nickte. »Und was lässt sie dich machen? Ich meine Martha Callender, nicht Marie Antoinette.« Donnerwetter, ein Witz von Mr.Mauskopf!
    »Größtenteils Bestellungen bearbeiten, Rückläufer einordnen, solche Sachen eben.«
    »Gut, gut.« Eine Pause; Mr.Mauskopf schaute die Bestie an. Greif bellte einmal, fast so, als würden er und Mr.Mauskopf miteinander sprechen. Dann wandte Mr.Mauskopf sich wieder mir zu: »Sag mal, hast du irgendetwas Beunruhigendes gesehen?«
    »Etwas Beunruhigendes? Was meinen Sie?« Spielte er auf den riesigen Vogel an?
    »Meine Freunde im Archiv sagen mir, dass dort etwas … nicht stimmt. Ich habe mich gefragt, ob dir etwas aufgefallen ist, das hilfreich sein könnte.«
    »Ob etwas nicht stimmt? Eine der Paginnen, Anjali, sagte mir, sie habe etwas von einem …« Es hörte sich so unglaubwürdig an. Konnte ich das Mr.Mauskopf wirklich sagen? Würde er nicht denken, ich wäre eine Idiotin, so etwas zu glauben?
    »Einem was?«
    Ich hatte angefangen, jetzt gab es kein Zurück mehr. »… einem riesigen Vogel gehört. Es heißt, er würde Leuten folgen und

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