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Die geheime Sammlung

Die geheime Sammlung

Titel: Die geheime Sammlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polly Shulman
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glühen. Ein Schwarm Krähen flog über mich hinweg und stand als Silhouette vor dem Sonnenuntergang. Etwas Merkwürdiges fiel mir an den Vögeln auf, ich hielt inne und schaute nach oben. Einer schien zu groß für eine Krähe zu sein. Ein Falke? Ich konnte ihn nicht mehr sehen, aber ich hatte ein schlechtes Gefühl, wie in Anjalis Wohnung. Ich ging schneller und sah mich nervös um.
    Da tauchte der gewaltige Vogel wieder auf. Er drehte sich im Flug und stürzte sich direkt auf mich. Ich rannte los.
    Etwas noch Größeres als der Vogel tauchte hinter einem kleinen Hain auf und schoss durch den Himmel. Es sah nicht aus wie der Vogel – es hatte die falsche Form, eher rechteckig, wie ein Pferd oder ein Löwe. Beide näherten sich mir schnell. Ich wurde panisch, lief schneller, sah über meine Schulter statt nach vorn – und krachte geradewegs mit voller Wucht in jemanden hinein. Mein Paket flog davon. Ich landete mit dem Gesicht zuerst im Schnee, aber immerhin war ich noch am Leben, und alles was mich getroffen hatte, war ein Mensch.
    »Geht es dir gut?« Ein Mann stand über mir, streckte mir seine Hand entgegen und half mir auf die Beine.
    »Es tut mir wirklich leid!«, sagte ich, während ich mir den Schnee abklopfte. »Mit mir ist alles in Ordnung. Habe ich
Sie
verletzt?«
    Er lächelte, ein schiefes Lächeln in einem sauber gestutzten Bart. »Nein, nein, mir geht es gut. Du hattest es ganz schön eilig.« Er bückte sich, um Umschläge und Pakete aufzuheben, die wir fallen gelassen hatten. Da erkannte ich ihn wieder: Er war der unheimliche kleine Mann aus dem Hauptuntersuchungsraum, der Anjali so gern anstarrte.
    »Ja, ich …« Ich sah mich nach dem Vogel oder den Vögeln um. Keine Spur von beiden. »Es tut mir leid, ich habe nicht darauf geachtet, wo ich hingerannt bin.«
    »Ist ja nichts passiert.«
    »Ist das mein Paket?«, fragte ich. Er trug mehrere große, in braunes Packpapier eingeschlagene Pakete, genau wie das, das mir Mr.Mauskopf mitgegeben hatte.
    »Nein, ich glaube nicht. Aber es scheint, als hätte ich ein oder zwei zu viel.«
    »Meines war an Dr.Rust, an das New Yorker Repositorium der Verleihbaren Schätze adressiert«, sagte ich.
    »Na! Was für ein eigenartiger Zufall. Dahin war ich auch gerade auf dem Weg.« Er zeigte mir eines seiner Pakete, das an Dr.Rust adressiert war. »Du kamst mir gleich so bekannt vor. Du bist einer der Pagen, oder? Ich habe dich im Repositorium gesehen. Ich kann dein Paket mit meinem zusammen zu Dr.Rust mitnehmen.«
    »Nein!«, sagte ich ängstlich und unhöflich. »Nein, danke sehr, das geht schon so. Ich muss es persönlich bei Dr.Rust abgeben.«
    »Das macht mir keine Umstände, und ich sehe ihn eher als du. Ich bin gerade auf dem Weg ins Repositorium. Bei mir ist es wirklich besser aufgehoben.« Er zögerte. »Sag mal, arbeitest du im Grimm-Sammelsurium?«
    »Was? Wieso wollen Sie das wissen?«
    »Ah, du arbeitest also wirklich dort. Keine Sorge, du plauderst keine Geheimnisse aus. Ich weiß alles über diese spezielle Sammlung.« Offensichtlich versuchte er, mich zu beruhigen.
    »Ich brauche immer noch mein Paket«, insistierte ich.
    »Ja. Nun, was das angeht: Ich will dich nicht ängstigen, aber es sind einige der Grimm’schen Gegenstände gestohlen worden. Einige haben berichtet, dass ein … nun, eine große, fliegende Kreatur sie bedroht oder gar versucht hat, ihnen Gegenstände aus den Händen zu reißen. Und ich würde sagen, wir haben beide gesehen, was dir gefolgt ist.«
    »Sie haben den Vogel gesehen!«, sagte ich schaudernd. »Ist er jetzt weg?«
    »Im Moment, ja. Aber ich glaube, es ist wirklich besser für dich, wenn ich dein Paket übernehme. Du hast womöglich etwas, das die Kreatur haben will.«
    »Aber wieso sollte sie dann nicht einfach
Ihnen
folgen?«
    Er lächelte. »Das tut sie vielleicht. Aber ich bin älter und habe mehr Erfahrung mit dieser besonderen Art von Situationen. Ich kann auf mich aufpassen. Und ich würde mich wirklich schuldig fühlen, wenn dir etwas zustoßen würde.«
    »Vielen Dank«, sagte ich. »Das ist sehr freundlich von Ihnen. Aber es geht nicht. Ich habe versprochen, das Paket eigenhändig bei Dr.Rust abzugeben. Kann ich es bitte zurückbekommen?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Hier hast du es.« Er gab mir eines der Pakete. Genau wie das, das mir Mr.Mauskopf gegeben hatte, Dr.Rusts Name war in brauner Tinte auf das Papier geschrieben, und es war mit einem Faden verschnürt. Aber irgendetwas stimmte nicht. Ich

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