Die geheime Sammlung
geholfen, oder?«
»Gibst du ihn mir zurück?«, fragte ich.
»Ja, ich verspreche es«, sagte Aaron.
Ich gab ihm den Schlüssel. »Oh«, sagte er. Dann steckte er ihn selbst in das Schloss, aber er passte nicht.
»Überzeugt?« Ich streckte die Hand aus.
»Ja … ja, er hat dieses Schimmern. Ist das heftig. So stark habe ich das noch nie gesehen.« Er starrte weiterhin den Schlüssel an und drehte ihn in seiner Hand hin und her.
»Aaron. Gib ihn mir zurück. Du hast es versprochen.«
»Oh. Entschuldigung. Ich war nur … Entschuldigung.« Er reichte ihn mir zurück.
»Weißt du was?«, sagte ich gedehnt. »Du kannst ihn behalten.« Ich gab ihn ihm wieder.
Marc zuckte mit den Schultern. »Gut, Aaron kann den Schlüssel haben, aber ich behalte ihn im Auge. Zum Reinkommen brauchen wir ihn sowieso nicht – ich habe den magischen Stock, der Türen öffnet.«
»Nein, benutz den Stock bloß nicht«, sagte ich. »Das Ding ist richtig laut. Vielleicht ist sie zu Hause.«
»Das lässt sich herausfinden«, sagte Jaya. »Klingeln wir.«
»Halt«, rief Aaron, aber es war zu spät. Ein süßes Bimmeln von zwei Glöckchen ertönte leise hinter der Tür.
»Wer ist da?«, fragte eine Stimme.
Wir schauten einander an. Wir hatten schon wieder keine Geschichte vorbereitet.
»Wir sind Schüler an der Vanderbilt und halten ein Referat über Manhattans historische Holzständerbauweise«, sagte Aaron.
Das hätte man vielleicht glauben können, wenn Jaya nicht gleichzeitig gesagt hätte: »Ich bin Jaya Rao und suche nach meiner Schwester.«
Die Tür ging auf. »Ein Referat über Holzständerbauten
und
ihr sucht eure Schwester? Kommt besser herein.«
Ich erkannte Rechtsanwältin Gloria Badwin wieder. Sie war schon im Hauptuntersuchungsraum des Repositoriums gewesen. Sie trug einen Hosenanzug, eine Perlenkette und enge schwarze Stöckelschuhe. Ihr Lippenstift passte wunderbar zu ihrem kastanienbraunen Haar und zu der tiefroten Aktentasche aus echtem Leder in der Eingangshalle. Sie führte uns in ein Wohnzimmer mit Chrysanthemen auf dem Kaffeetisch. »Setzt euch doch bitte und sagt mir, wie ich euch helfen kann«, bat sie.
Marc, Aaron und ich setzten uns auf das Sofa. Jaya blieb stehen und starrte mit offenem Mund. Ich wandte mich um, weil ich auch sehen wollte, was sie anstarrte. Es war eine Vitrine mit Reihen voller Puppen und Miniaturen.
Ich erschrak vor meiner eigenen Reaktion, so sehr sah das wie die Puppensammlung meiner Mutter aus. Tränen schossen mir in die Augen. Wie sehr ich meine geliebte Mutter vermisste. Wenn sie nur hier wäre, wäre alles besser.
Energisch schüttelte ich den Kopf. Meine Mutter war nicht mehr da, und ich hatte nur noch meine Freunde. Und diese Puppen waren eigentlich verzauberte Menschen. Eine von ihnen mochte Anjali sein.
»Ah, du interessierst dich für meine Sammlung«, wandte sich Gloria Badwin an Jaya. »Wie die meisten kleinen Mädchen. Sind meine Prinzessinnen nicht etwas ganz Besonderes?«
Jaya war viel zu gefesselt von dem Anblick, um dagegen zu protestieren, dass jemand sie als kleines Mädchen bezeichnet hatte.
Wie sollten wir die Vitrine öffnen, um nach Anjali zu suchen? Ich erinnerte mich daran, wie gern Sammler über ihre Sammlungen sprachen – jedenfalls meine Mutter. Vielleicht konnte ich Ms.Badwin zum Reden bringen und ihr so lange schmeicheln, bis sie die Vitrine öffnete.
»Was für beeindruckende Puppen. Ist die vorne links aus China?«, fragte ich.
»Das
Benjarong
-Porzellan? Das kommt aus Thailand, aus der Ban Phlu Luong-Dynastie. Ein echtes Schmuckstück. Ich zeige es dir.« Und schon öffnete Ms.Badwin die Vitrine und nahm eine bunte Puppe heraus. »Sie ist in ausgezeichnetem Zustand, wenn man bedenkt, dass die Männer, die sie verwandelt haben, sie mit Elefanten festhalten mussten. Die meisten haben Finger eingebüßt.«
»Und die hübsche blaue dahinter?«
»Du kennst dich wirklich aus, nicht wahr? Das ist eine Fayence-Puppe aus dem alten Ägypten, Mittleres Reich.«
»Und die Porzellanpuppe mit den Spitzen daneben?«
»Eine Bourbonin. Gehört in jede Sammlung. Dabei sind sie eigentlich gar nicht so selten – während der Französischen Revolution kamen sehr viele auf den Markt. Allerdings verlieren die leicht den Kopf.«
Aaron hatte begriffen, was ich erreichen wollte, und mit seinem üblichen Taktgefühl machte er mit. »Was ist mit der großen Puppe mit den schrillen Farben? Die wie ein unförmiges Ei aussieht?«, fragte er.
Ms.Badwin kicherte
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