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Die geheime Stunde

Die geheime Stunde

Titel: Die geheime Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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hatten. Die Freundschaft mit seinem Vater hatte sich mit dem Verrat verändert, aber John wusste, dass es unfair gewesen wäre, den Jungen für die Sünden des Vaters büßen zu lassen.
    »Raus mit der Sprache, Caleb.«
    »Es war Timmy Bean. Er ist ein Rechter und hat nicht viel im Hirn.«
    »Caleb – Timmy ist einer meiner besten Arbeiter, und dass er das Maul aufreißt, heißt noch lange nicht …«
    »Er hat ihn geworfen, Dad. Ich habe mit meinen eigenen Ohren gehört, wie er es zugegeben hat.«
    »Junge Burschen prahlen gerne mit Dingen, wovon sie keine Ahnung haben«, entgegnete Barkley finster.
    »Danke, dass du es mir gesagt hast, Caleb. Du hast richtig gehandelt.«
    Caleb nickte und blickte seinen Vater besorgt an; sein Adamsapfel hüpfte beim Schlucken auf und ab. Er sah nervös aus, als fürchte er, die Sache könne ein Nachspiel haben, sobald John weg war.
    »Merrill hat ein Recht auf einen Anwalt, genau wie jeder andere«, sagte John.
    »Und Sie sind Anwalt«, sagte Caleb, das aufmunternde Lächeln erwidernd.
    »Und ein guter obendrein«, räumte Barkley zögernd ein.
    »Was den Stein angeht, sind wir alle deiner Meinung«, sagte Hunt. »Egal, was wir von Merrill halten. Zum Teufel, ich liebe Kinder. Teddy ist einer meiner besten Spieler. Ich hoffe, du nimmst das nicht persönlich … Maggie ist wohlbehalten zu Hause, alles ist in Butter, die Sache ist geklärt. Oder?«
    »Ja.«
    »Wir sind also quitt?«, fragte Barkley.
    »Ich komme wieder, um mit Bean zu reden – und bringe Billy Manning mit.«
    Barkley zuckte die Achseln. »Tu, was du nicht lassen kannst.«
    Die Männer starrten ihn so finster an, als befürchteten sie, er könnte doch noch die Beherrschung verlieren und sie zusammenschlagen, einen nach dem anderen. John dachte an Maggie, Teddy und Kate, die zu Hause in Sicherheit waren, aber für wie lange? Es gab noch einen anderen Mörder, der sich frei in Silver Bay herumtrieb.
    »Das werde ich«, erwiderte John, drehte sich um und trat aus der Scheune; er hatte es eilig, nach Hause zu kommen, zu seiner Familie.

[home]
    26
    K ate fuhr am East Wind Inn vorbei und parkte den Wagen des Richters unweit der Kette, die über den Weg gespannt war. Der Wind blies so heftig, dass sie fürchtete, vom Riff geweht zu werden, auf die Felsen tief unter ihr. Das Leuchtfeuer flammte über ihr auf, sagte ihr, dass sie sich am richtigen Ort befand; hier war der Weg zu Ende.
    Ihre Kehle war vor lauter ungeweinten Tränen wie zugeschnürt, und sie hatten dem besseren Teil des Jahres gegolten. Sie hielt Ausschau nach John, vielleicht war er hierher gefahren, um Maggie zu suchen. Als sie weit und breit keine Spur von ihm entdecken konnte, ging sie zum Leuchtturm hinüber.
    »Willa!«, schrie sie. »Ich bin bei dir!«
    Den Namen ihrer Schwester zu rufen erfüllte sie mit Zärtlichkeit und einem Gefühl der Freiheit. Wo immer Willa auch sein mochte, sie waren beisammen in dieser sturmgepeitschten Nacht. Kate wusste es, mit jeder Faser ihres Seins. Sie hielt den Talisman in der Hand, spürte die Liebe und Stärke, die das Metall verkörperte.
    Die Kraft der Elemente übertrug sich auf sie, drang durch die Haut ihrer Finger und durch ihre Handflächen, durch ihre Knochen und ihr Blut, bewirkte, dass sie Stärke aus dem kleinen goldenen Schmuckstück ableitete. Sie hatte es vor vielen Jahren für Willa gekauft, hatte es ihr mit bedingungsloser, inniger Liebe geschenkt.
    In all den Jahren, als Willa klein und Kate selbst noch ein halbes Kind gewesen war, hatte sie ihre Schwester beschützen und ihr die Mittel und Möglichkeiten geben wollen, sich in der Welt zu behaupten. Woher wussten Eltern, wie man das macht? Wurde ihnen bei der Geburt ihrer Kinder automatisch Weisheit und innere Kraft verliehen? Wenn ja, war Kate bei der Verteilung leer ausgegangen.
    Sie hatte sich auf ihre innere Stimme verlassen müssen. Hatte ihr Bestes getan, mit aller schwesterlichen Liebe, die ihr zu Gebote stand, und mit Hilfe ihres Bruders. Matt hatte ihr fast immer den Löwenanteil überlassen, aber er war zur Stelle gewesen, wenn sie ihn brauchte. Zufällig vorhandene Ersatzeltern für das Kind, das sie liebten.
    Kate stand vor der Kette, die quer über den Weg gespannt war, rüttelte an dem Schloss. Willas Talisman hatte laut Maggie genau hier gelegen, auf dem mit Muscheln bestreuten Pfad, der zum Leuchtturm führte. Willa war vermutlich hier spazieren gegangen, als sie im East Wind abgestiegen war. Der Ort hatte sie gewiss magisch

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