Die geheime Stunde
wohl ein Scherz sein! »Was ist es denn dieses Mal? Noch ein Bild von Ihrer Schwester? Oder eine Postkarte? Eine Notiz, die sie hinterlassen hat? Geben Sie sie der gottverdammten Polizei, nicht mir! Haben Sie gehört?
Ich kann Ihnen nicht helfen!«
Ohne es zu wollen, riss er ihr den Zettel aus der Hand.
Er erkannte Teddys Handschrift, und als John den Zettel las, begann seine Hand zu zittern.
Hallo Kate,
ich habe heute ein Fußballspiel. Vielleicht kannst du ja kommen, falls du nichts Besseres vorhast. Es findet auf dem Shoreline Field statt, um vier. Ich würde mich freuen.
Thaddeus G. O’Rourke (Teddy)
»Wie ist der Zettel in Ihren Besitz gelangt?«, erkundigte sich John brüsk.
»Er hatte ihn unter meinen Scheibenwischer geklemmt.«
»Und wie hat er Sie ausfindig gemacht?« Er konnte nicht anders; er dachte an die alten Szenarien, an die Nachrichten, die Barkley für Theresa hinterlassen hatte, an das wortlose Auflegen des Telefonhörers auf dem Anrufbeantworter, an das nächtliche Flüstern, an Geheimnisse und böse Überraschungen.
»Keine Ahnung.«
»Haben Sie ihn angerufen? Haben Sie sich mit ihm oder Maggie in Verbindung gesetzt?«
»Natürlich nicht.«
»Wie hat er Sie dann aufgespürt?«
»Ich konnte noch nicht mit ihm sprechen, weil er die ganze Zeit gespielt hat.«
»Er war während des ganzen Spiels dabei?« John ließ überrascht Teddys Einladung sinken und konnte kaum den Stolz über seinen Sohn verbergen.
Kate nickte.
Johns Brust schmerzte. Er war verwirrt, aus dem Lot gebracht. Nach seinen Erfahrungen hatte sich die Menschheit in den letzten Jahren nicht gerade als freundlich, hilfsbereit oder vertrauenswürdig erwiesen. Es war inzwischen kälter geworden; er sah, wie sie die Jacke enger um sich zog. Laut Wettervorhersage war für den späten Abend ein Unwetter mit Sturm und Eisregen angekündigt, das vom Atlantik heraufzog.
Brainer und Bonnie hatten eine Runde um das Fußballfeld gedreht und sausten nun zu John und Kate zurück. Bildete er sich das ein, oder wurde er tatsächlich von sämtlichen Zuschauern beobachtet? Er richtete sich kerzengerade auf, seine Miene verhärtete sich. Maggie kam angelaufen, ein Fitnessgetränk aus dem Kühler der Mannschaft in der Hand.
»Dad, Teddys Trainer hat mir einen Becher Gatorade geschenkt … Teddy hat das Tor geschossen und seine Mannschaft in Führung gebracht, hast du das gesehen … und schau mal Brainer und seine kleine Freundin an, ist die nicht niedlich – wem sie wohl gehört, was glaubst du …« Als sie Kate entdeckte, schnappte sie nach Luft und rannte zu ihr, hätte sie um ein Haar umarmt. »Hallo!«, rief sie mit einer Stimme, die überschwängliche Freude verriet.
»Hallo, Maggie.«
»Ist das dein Hund?«
»Ja. Sie heißt Bonnie.«
»Ist die süß!«
»Ein Scotchterrier.«
In diesem Augenblick ertönte der Abpfiff, und das Spiel war zu Ende. Die beiden Mannschaften nahmen Aufstellung, schüttelten sich die Hände und beglückwünschten sich gegenseitig: »Ein gutes Spiel, ein gutes Spiel.« John sah, wie Teddy seinen Gegnern Anerkennung zollte, mit seinem Trainer sprach und dann durch die dicht gedrängte Traube der Eltern und Spieler auf ihn zulief.
»Hast du mich gesehen, Dad?«
»Habe ich, Teddy – du warst fantastisch.«
»Ich habe den einen Torschuss vermasselt …«
»Das kann jedem passieren. Wichtig ist nur, dass es dir gelungen ist, konzentriert weiterzuspielen und dich nicht ablenken zu lassen, dass du den Ball in die richtige Position gebracht und Kevin somit ermöglicht hast, das nächste Tor zu erzielen.«
»Ja, wir haben gewonnen.«
»Herzlichen Glückwunsch«, fügte John hinzu, als Maggie die Hand ihres Bruders schüttelte.
»Und zwei Tore gehen auf dein Konto«, lobte Kate.
Teddy nickte mit glühenden Wangen.
Johns Brust verengte sich abermals. Er hatte ein Tor von Teddy verpasst? »Du hast zwei Tore geschossen?«
Teddy nickte. »Und wie! Er ist der Star«, erklärte Kate.
»Das bist du wirklich«, sagte Maggie und blickte ihren Bruder bewundernd an. »Der Star der ganzen Mannschaft.«
»Danke, Mags.«
Nun kam sich John wirklich erbärmlich vor. Er war so stolz darauf gewesen, dass er den sagenhaften Pass miterlebt hatte, aber ein Tor hatte er versäumt, und das war unverzeihlich. Er musste bei den Kindern Abbitte leisten. Eigentlich war er mit Billy Manning verabredet, seinem langjährigen Freund und Detective aus dem Major Crime Squad von Connecticut. Es war kein offizielles
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