Die geheime Stunde
Schweigepflicht«, lachte Billy. »Lasst uns lieber umgehend den Rückzug antreten. Also, was führt dich ins Witch’s Brew, John? Hab dich schon lange nicht mehr bei einem Zug um die Häuser gesehen. Wie geht’s dir überhaupt?«
»Unlängst wurde ein Ziegelstein durch mein Fenster geworfen, das letzte Kindermädchen hat fristlos gekündigt – weil sie fand, ihre Tätigkeit sei aufgrund meiner Arbeitszeiten eine ›grausame, unzumutbare Strafe‹ –, in unserem Dachboden haben sich Fledermäuse breit gemacht, und wir wohnen vorübergehend bei meinem Vater. Heute Abend haben wir Teddys Fußballspiel mit einer Pizza gefeiert, und danach beschloss ich, auf ein Bier vorbeizuschauen.«
Die Bedienung brachte eine Runde, John zahlte, und alle tranken.
»Hab von dem Ziegelstein gehört«, sagte Billy. »Stand im Bericht der Streife.«
»Rache wegen Merrill?«, fragte Dave.
»Glaub schon«, meinte John.
»Kein Grund, in Ihre Privatsphäre einzudringen«, warf T. J. ein. »Waren Ihre Kinder zu Hause?«
John nickte, trank einen Schluck.
»Nett. Wirklich nett. Nicht, dass ich prinzipiell Ihrer Meinung wäre – Merrill sollte für seine Untaten wirklich mit dem Leben bezahlen, aber –«
Die Unterhaltung drohte eine Wende zu nehmen, die John nicht beabsichtigt hatte – oder guthieß. Seine Miene verschloss sich, nur leicht, aber T. J. fing das Signal auf und wandte sich an Dave, kehrte zu dem Thema zurück, über das sie vor Johns Ankunft gesprochen hatten. Nun wandte sich Billy John zu, ihre Blicke trafen sich. Sie waren während der Highschool-Zeit die besten Freunde gewesen, und die jeweilige berufliche Laufbahn, die sie gewählt hatten, tat der Beziehung zwischen ihnen in der Regel keinen Abbruch.
»Was ist los?« Billy merkte, dass John etwas auf dem Herzen hatte.
»Gehen wir ein Stück spazieren, ja?«
Billy nickte. Die beiden Männer stellten ihre Krüge auf den zerkratzten Holztisch und bahnten sich einen Weg durch die Menge. Im Witch’s Brew herrschte Hochbetrieb am Tag vor Halloween. Die Leute kamen nach den Partys noch auf einen Sprung vorbei, kostümiert. Ein schwarzer Hexenkessel blubberte vor sich hin, das Trockeneis verbreitete Nebel. Die Band hieß »Goth«, ihre Musik klang schrill und erschwerte den Besuchern überwiegend mittleren Alters das Tanzen.
Sally Carroll erspähte ihn von der Bar aus und sagte etwas zu Peter Davis, dann machte sie Anstalten herüberzukommen. John winkte ihr zu, ging schneller. Er hatte in der Pizzeria erwähnt, dass er später noch einen Abstecher ins Witch’s Brew machen wolle, um mit Billy zu reden. War sie öfter hier, oder war sie nur wegen ihm gekommen? Er konnte nicht umhin, ihr schwarzes Hexenkostüm zu bemerken – ein schwarzes Kleid mit tiefem Ausschnitt, das volle, nach oben gepresste Brüste und die Kante eines purpurfarbenen Spitzenbüstenhalters enthüllte.
»Da ist ja Sal«, sagte Billy, als sie vorübergingen.
»Ja.«
»Warum ihr zwei nicht zusammenfindet, geht über meinen Horizont. Seit sie Todd abserviert hat … Peter Davis und sie vertreiben sich doch nur die Zeit miteinander. Wenigstens trösten sie sich gegenseitig, Mann. Sie war schon immer scharf auf dich, und ich bin sicher, sie würde dir gerne Beistand und Wärme bieten. Du weißt, was ich meine?«
»Ja, weiß ich. Wie wäre es, wenn du dir den Rest verkneifst?«
John machte ein finsteres Gesicht, ging voraus und bahnte sich mit den Schultern einen Weg durch das Gedränge an der Tür. Der Geruch nach Rauch und Parfüm war ekelhaft, und an die frische Luft zu treten – vorbei an zwei maskierten Pärchen – tat gut.
»Es ist mir nicht mehr gelungen, dir gegenüber die richtigen Worte zu finden, seit …« Billy verstummte.
John warf ihm einen warnenden Blick zu, um ihn am Weiterreden zu hindern. Er wusste, dass Billy drauf und dran war, Theresa zu erwähnen. Eines Abends, kurz nach der Beisetzung, war er auf dem Heimweg hereingeschneit, und die beiden Freunde hatten auf der Veranda das eine oder andere Bier getrunken. Als es dunkel wurde und der Alkohol zu wirken begann, hatte sich Johns Zunge gelöst, und er hatte Billy alles über Theresa erzählt. Dass sie eine Affäre gehabt hatte. Dass er seit langem einen Verdacht gehabt und sich über die Anrufer, die auflegten, sobald er den Hörer abnahm, und ihre rätselhaften Besorgungen gewundert hatte.
Billy hatte sich vorgebeugt, sein Bier abgestellt und John in die Augen gesehen.
»Du hättest mich nur fragen
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