Die geheime Waffe
der Nähe des Kleinbusses. Wie es aussah, war Zwengel per Handy gewarnt worden, denn er schob sich durch die Leute zum Ausgang. Giselle Vanderburg
hatte Sedersens Warnung anscheinend verdrängt, denn sie kam direkt auf den Eingang des Friedhofs zu.
Rechmann wusste, dass Sedersen ein Verhältnis mit der attraktiven Frau angefangen hatte. Daher konnte auch sie genug über dessen Pläne wissen, um ihn und damit sie alle zu Fall zu bringen.
Eine Megaphondurchsage durchbrach Rechmanns Gedankengänge. Der Polizist forderte die Trauergäste auf, Ruhe zu bewahren und den Friedhof zu verlassen. Seine Kollegen schufen inzwischen einen Korridor, der quer durch die Menge fast schon bis zu dem Kleinbus reichte.
Rechmann sah weitere schwerbewaffnete Polizisten die Straße heranstürmen und die Leute vom Bus wegdrängen. Doch der freie Platz, der dadurch entstand, hatte eine Sogwirkung auf die Menschen im Friedhof, die rascher nachströmten, als die Polizisten sie wegschaffen konnten.
Zuletzt gelang es den Exekutivbeamten dann doch, einen Kordon um den Kleinbus zu ziehen. Die Waffen auf das Führerhaus gerichtet, warteten sie, bis ihr Kollege mit dem Megaphon zu ihnen aufgeschlossen hatte. Dieser erkannte, dass das Fahrzeug noch nicht verlassen war, und richtete sein Sprachrohr auf die Fahrerkabine. »Kommen Sie mit erhobenen Händen heraus!«
Rechmann langte unwillkürlich in seine Hosentasche und spürte sein Handy zwischen den Fingern. Alles umsonst, schoss es ihm durch den Kopf. Er hatte für Sedersen gearbeitet und gemordet, um einmal mehr zu sein als der vierschrötige Kerl mit dem Babygesicht, den niemand ernst nehmen wollte. Doch jetzt würde er im Gefängnis landen, ohne Aussicht, je wieder herauszukommen.
Während der Polizist die Aufforderung wiederholte, sich zu ergeben, sah Rechmann seinen Begleiter mit einem eigenartigen Lächeln an. »Du kannst aussteigen, Maart!«
Der junge Niederländer riss die Beifahrertür auf und verließ
den Wagen. Rechmann wartete, bis er um das Fahrzeug herumgekommen war und mit erhobenen Händen auf die Polizisten zuging. Dann öffnete auch er seine Tür. Während die Menschen um ihn herum erleichtert aufatmeten, drückte er den Zündknopf.
Er hörte noch, wie die Seitenwände des Kleinbusses abgesprengt wurden. Dann zündete die Hauptladung, und seine Welt verging in einem Feuerball.
EINUNDDREISSIG
D er Friedhof versank im Chaos. Zwar war es den Polizisten gelungen, einen Teil der Trauergäste in Sicherheit zu bringen, doch die Eisennägel, die mit der Wucht von Gewehrkugeln durch die Gegend flogen, richteten zusammen mit der Explosion ein Blutbad an.
Als sich die ersten Überlebenden noch halb betäubt von dem furchtbaren Knall wieder auf die Beine kämpften, war von dem hellgrünen Transporter nichts mehr zu sehen. An der Stelle, an der er gestanden hatte, war ein drei Meter tiefer Krater. Ein Teil der Friedhofsmauer war weggeblasen worden, und der Turm der Kirche stand auf einmal so schief, als wolle er seinem berühmten Vorbild in Pisa nacheifern.
Den Polizisten in der vorderen Reihe hatten ihre Helme, Schutzwesten und Plastikschilde nicht genug Schutz geboten, und die wenigen überlebenden Beamten versuchten, dem Schrecken und dem Chaos Herr zu werden. Doch es gab einfach zu viele Tote und Verletzte. So blieb es für mehr als eine Stunde dem Schicksal überlassen, wer von den blutenden, schreienden Menschen Hilfe bekam und wer nicht. Doch selbst als die Ambulanzen aller umliegenden Gemeinden und Städte im Einsatz waren, dauerte es noch den halben Tag, bis
die letzten Überlebenden geborgen waren. Den Ordnungskräften, die mittlerweile durch Beamte aus anderen Provinzen unterstützt wurden, blieb die traurige Aufgabe, die Toten zu zählen und zu bergen.
Der Schock aber, den dieser Anschlag auslöste, lief wie eine Welle durch das ganze Land, und zum ersten Mal seit Jahren fühlten sich auch hartgesottene Flamen wieder als Belgier. Doch die Nachrichten, die dann aus der königlichen Domäne in Laeken kamen, übertrafen selbst diese Katastrophe.
SIEBTER TEIL
DIE ENTSCHEIDUNG
EINS
S edersen ballte triumphierend die Rechte. Seine Männer hatten die Ziegelmauer um die königliche Domäne von Laeken an drei Stellen gesprengt und drangen nun über die Avenue Jules van Praet, die Chaussée de Vilvorde und die Avenue du Parc Royal auf das Gelände vor. Gleichzeitig sicherte ein mit leichten Luftabwehrraketen ausgestatteter Trupp vom Monument Leopolds II. aus den Parc de Laeken,
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