Die geheime Welt der Frauen
Ehe zu treten. Zehn Jahre später war sie in die Mikwa zurückgekehrt - eine Art Abschied.
Eine alte Frau mit einem Paisley-Tuch über dem schütteren Haar öffnete die Tür und führte sie hinein. Es roch feucht und säuerlich. Ein blau gestreiftes Handtuch, an das sich Sima von vor fünf Jahren erinnerte, hing immer noch als Schutz für ein gebrochenes Rohr von der Decke. Die Wände waren im Grün von Krankenhäusern und Grundschulen gestrichen, die weißen Bodenfliesen an den Rändern grau geworden.
Die Frau deutete auf einen kleinen Raum mit ein paar Schließfächern und Holzbänken. Sie sprach mit einem starken osteuropäischen Akzent. »Ziehen Sie sich da um, ja?« Sima nickte und trat in den Raum.
Als sie an diesem Morgen aufwachte, hatte sie nicht vorgehabt, in die Mikwa zu gehen. Es war in der Warteschlange beim Metzger gewesen. Beim Anblick eines blonden Kindes, das sich hinter dem Bein seiner Mutter versteckte, war ein solcher Neid in Sima aufgestiegen, dass sie, umringt von den zerrissenen, gerupften Vogelleibern, den eigenen Hals verdrehte und nach Luft rang.
»Ich kann dich sehen«, scherzte Sima mit dem Kind. Das Mädchen, mit jenem Ausdruck von Angst auf dem Gesicht, an den Sima sich aus ihrer eigenen Kindheit erinnerte, wenn sich
fremde, lächelnde Frauen herunterbeugten, um sie in die Wangen zu kneifen, brach in Tränen aus.
»Tut mir schrecklich leid«, sagte Sima zu der Mutter, die sich, erfreut, weil sie gebraucht wurde, hinunterbeugte und dem Kind etwas ins Ohr flüsterte, was es zum Lachen brachte, »ich wollte ihr keine Angst machen.«
»Was soll Ihnen leidtun?«, fragte die Mutter. »Sie wissen ja, wie es ist.«
Ja, erwiderte Sima, natürlich wisse sie das, sie habe ja selbst ein Kind - sodass sie verpasste, wie der Metzger ihre Nummer aufrief.
Auf der Heimfahrt kam sie an der Mikwa vorbei, fuhr einmal um den Block, parkte und ließ das Fleisch auf dem Vordersitz liegen. Vielleicht, wenn sie regelmäßig hingegangen wäre, dachte sie, nach jeder Periode, wie es vorgeschrieben war, wäre alles anders gekommen. Aber zumindest würde sie jetzt hingehen. Den Laden dichtmachen, sagte sie sich und lächelte nicht über ihren schwarzen Humor.
Sima zog langsam ihre Kleider aus, faltete sie zusammen und legte sie ordentlich auf die schmale Bank. Ihren Schmuck - Ehering, Perlohrringe, Armbanduhr - steckte sie in ihre Blusentasche. Nackt ging sie zum Becken und betrachtete die verschiedenen Toilettenartikel am Rand: eine halb verbrauchte Zahnpastatube, säuberlich von unten her aufgerollt, eine blaue Schachtel mit Q-tips, die an den Rändern vom Wasser leicht ausgebleicht war, einen Becher mit Wattebällchen, eine rosa Flasche mit Nagellackentferner und etwa ein Dutzend in Plastik eingeschweißte Zahnbürsten auf einem Haufen. Sima putzte die Zähne, reinigte die Ohren und kratzte mit einem Fingernagel den Schmutz unter den anderen heraus, ohne sich um die kalte Luft zu kümmern, die aus der Lüftung hereinblies. Nachdem sie in das Waschbecken gespuckt und mit Wasser nachgespült
hatte, ging sie in die Dusche. Hier gab es ein Stück grüne Seife und eine Flasche mit pinkfarbenem Shampoo - beides schäumte sie dick auf, bevor sie unter den Wasserstrahl trat und die Augen schloss, als er heiß über ihren Rücken rann.
Tropfnass ging sie in den Mikwa-Raum. Diesmal schreckte sie nicht zurück, als die Betreuerin sich hinunterbeugte, um zu prüfen, ob ihre Zehennägel unlackiert, und ihr Haar hob, um sicherzustellen, dass ihre Ohrläppchen nicht geschmückt waren. Die alte Frau überprüfte sie rasch und professionell, und Sima entspannte sich unter ihrem desinteressierten Blick: Sie war bloß eine weitere nackte Frau unter Hunderten, die die Betreuerin gesehen hatte, und was für eine Erleichterung, so unbedeutend zu sein. Ohne Schmuck, Make-up oder Nagellack stieg Sima die Stufen ins Bad hinab.
Das Wasser war nicht so warm, wie sie es in Erinnerung hatte. Sima fröstelte leicht und zögerte. Einen Moment lang sah sie zu der alten Frau auf, einer winzigen, eingeschrumpften Person, und stellte trotz des Altersunterschieds fest, dass sie sich glichen - im Innern angefüllt mit einem dichten Pelz aus grünem Schimmel, nutzlos, überflüssig. Sie beugte sich ins Wasser.
Ein, zwei Mal tauchte sie vollständig unter, sodass nicht einmal eine Haarsträhne über der Oberfläche blieb, und streckte mit offenen Augen Arme und Beine aus. Im Auftauchen rezitierte sie den Segensspruch, der Gott für das
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