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Die geheime Welt der Frauen

Titel: Die geheime Welt der Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilana Stanger-Ross
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ich sie immer hierhin mitgebracht habe?«, fragte Rose. »Und du hast sie diese seidenen Nachthemden anprobieren lassen?«
    Sima nickte.
    »Ich hätte nie gedacht, dass ich eine dieser Frauen werden würde, die sich beklagen, wie die Zeit vergeht«, sagte Rose und zog braune Kaschmir-Handschuhe an, »aber jetzt wünsche ich mir verzweifelt, ich könnte die Uhr einfach zurückdrehen.«
    Sima nickte wieder und spürte, dass Timna näher kam.
    Rose nahm die Tüte, die Sima ihr reichte, und ging zur Tür. »Aber wie auch immer«, fügte sie hinzu, die Hand auf dem Türknopf, »ich schicke dir das Hühnchen-Rezept, von dem ich dir erzählt habe, das mit dem Senf. Man müsste eigentlich Sahne dazugeben, aber die lasse ich weg, und es schmeckt trotzdem köstlich.«
    Sima winkte zum Abschied.
    »Eine alte Kundin?«, fragte Timna.
    Sima nickte.
    »Sie schien so traurig zu sein.«
    »Das ist sie.« Sima sah sie an.
    Timna wandte sich wieder ihrer Kundin zu. »Das Marineblaue und das Elfenbeinfarbene?«, fragte sie. »Nehmen Sie die?«

    Die Frau nickte. »Ich denke schon.«
    »Und was ist mit Ihnen?«, fragte Sima und folgte Timna, »geht es Ihnen besser nach dem Kaffee?«
    Timna antwortete nicht, sondern nahm stattdessen der Kundin die beiden Nachthemden ab und sagte etwas über Pflege und Farbe. »Das ist Natalie«, erklärte Timna, als sie Sima die Nachthemden reichte, »sie hat gerade um die Ecke herum zu arbeiten angefangen, in dem großen Kindergeschäft.«
    Sima schüttelte ihre Hand und lobte sie abwesend für ihre Wahl. Sie rechnete Natalies Einkäufe zusammen und wartete, dass Timna ihre Frage beantwortete. Als sie dies nicht tat, versuchte sie es noch einmal. »Geht’s Ihnen gut?«, fragte sie und zog Natalies Kreditkarte durch die Maschine. »Weil Sie so erschöpft wirken …« Sima riss die Quittung ab und reichte sie Natalie. »Ich weiß, es ist Winter, aber …«
    »Ich bin bloß müde«, warf Timna schnell ein, als sie Natalies Nachthemden in eine Tüte steckte. »Sie sind ja schlimmer als meine Mutter.«
    Sima lächelte, obwohl sie nicht sicher war, was sie von der Bemerkung halten sollte - Timnas Mutter war nicht gerade ein hoher Maßstab.
    »Und Shai«, fragte Sima, als Timna zum Nähtisch zurückging, »was ist mit ihm? Gehen Sie regelmäßig mit ihm aus?« Ihre Stimme klang unnatürlich hoch. Sie spürte, wie ihr heiß wurde, wie langsam die Röte in ihr aufstieg.
    Timna sah zu ihr herüber, ein ausdrucksloser Blick, den Sima nicht deuten konnte. »Muss denn immer alles klar definiert sein? Ich hab gerade eine Beziehung beendet, ich suche keine neue.«
    Sima nickte. »Sicher«, erwiderte sie und dachte an die nächtliche U-Bahn, die Berührung mit dem Körper eines Fremden, während der Zug über die Schienen ratterte und draußen alles
dunkel war. »Solange alles sicher ist …« Sie blickte auf den Ladentisch hinab und vermied Timnas Blick. »Ich meine, ich weiß, dass Sie auf sich selbst aufpassen können«, fuhr Sima fort, wohl wissend, dass sie keineswegs dieser Meinung war, »aber es kann so schnell etwas passieren …«
    Sie zögerte. Sie hatte das Bedürfnis, ihre eigene Geschichte zu erzählen, ein Es-war-einmal-Märchen mit einer klaren Moral wie bei den Geschichten, die sie in der Grundschule gelesen hatte - der Wolf im Wald, bleib nicht stehen! Doch obwohl sie Timna warnen wollte, welchen Schaden ein Fehler anrichten könnte, schämte sie sich auch, sich bloßzustellen. So schrecklich es auch sein mochte, ihre mit Makeln behaftete Vergangenheit zuzugeben, wäre ihre Wirkung noch schlimmer: die Ungläubigkeit, mit der junge Leute den Geschichten der Alten begegneten, die Qual zu beobachten, wie Timna realisierte, dass sie, Sima, einst auch einmal jung gewesen war.
    »Sie klingen so ernst, Sima«, sagte Timna, bevor sie eine Möglichkeit hatte, sie zu warnen. »Alles ist in bester Ordnung - ich würde es Ihnen sagen, wenn es nicht so wäre.«
    Sima sah sie an. Lass mich für dich sorgen, wollte sie sagen, lass mich da sein für dich. Die Worte lagen ihr auf der Zunge, aber sie sprach sie nicht aus, und dann ging Timna schon weg, kehrte zum Nachthemdenständer zurück, um wieder in Ordnung zu bringen, was durcheinandergeraten war.

    Wieder ging Sima Timna nach.
    Was für einen Sinn machte es, sagte sie sich, als sie hinter Timna zur Bushaltestelle ging, welchen Sinn machte es, still und dumm herumzustehen, während Timna in den Bus stieg und abfuhr? Als könnte sie durch Zusehen etwas ändern,

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