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Die geheime Welt der Frauen

Titel: Die geheime Welt der Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilana Stanger-Ross
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erleuchtetes Restaurant, aber wo, fragte sich Sima mit Blick auf die Menü-Tafeln und Preise, wo isst man hier in der Gegend? Sie war müde. Es war eiskalt. Als sie ein kleines Kleidergeschäft sah - drei Stufen ins Souterrain eines Mietshauses hinab -, trat sie ein, bloß um sich aufzuwärmen.
    Die Frau hinter einer gläsernen Ladentheke blickte auf und lächelte. Sie war in den Vierzigern, hatte rot gefärbtes Haar und große, klingelnde Ohrringe. Sie trug einen alten blassblauen Kaschmirpullover über großen Brüsten, an dem eine Bergkristallbrosche steckte. »Sagen Sie mir, wenn ich Ihnen helfen kann«, erklärte sie und verzog den grell geschminkten Mund zu einem breiten Lächeln. Eine Zeitung lag vor ihr ausgebreitet, daneben ein Plastikbehälter mit Salat. Sima erwiderte ihr Lächeln.
    Es gab einen Ständer mit Hemdchen in Bonbonfarben, auf den Sima natürlich als Erstes zuging. Einige waren ähnlich wie die, die sie verkaufte, aber sie stellte sofort fest, dass sie alt waren.
Die weiße Spitze war vergilbt, das pinkfarbene Nylon unter den Armausschnitten ausgefranst. Sima griff nach einem blassgrünen Polyester-Hemdchen - breite Träger waren durch eine alte Schließe gezogen, ein winziges Schleifchen oberhalb des runden Ausschnitts.
    »Möchten Sie es anprobieren?«
    Sima schüttelte den Kopf. »Es ist nur - genau so eins hat meine Mutter immer getragen. Es muss die gleiche Marke sein, obwohl die Farbe anders ist. Sie hatte es in Blau und Pink.«
    Die Ladeninhaberin lächelte. »Das ist eines meiner Lieblingsstücke. Sind Sie sicher, dass Sie es nicht anprobieren wollen?«
    Sima befühlte den abgetragenen Stoff. »Ich glaube, es wäre mir unangenehm, die Wäsche meiner Mutter zu tragen. Aber wo bekommen Sie die denn her?«
    Die Ladenbesitzerin (»Liza«, hatte sie gesagt und Simas Hand geschüttelt) kam herüber und zog ihren Hocker hinter sich her (»Mein Rücken«, entschuldigte sie sich, und Sima blickte auf ihre altmodischen Absätze hinab und dachte, na ja, was erwartest du denn). Sie erklärte Sima, wie es funktionierte, fuchtelte dabei mit den Händen und deutete auf die Gebäude in der Gegend - die alten Mietshäuser und die Hochhäuser aus den Sechzigerjahren. Sie sammele Kleider, wenn die alten Leute auszogen. So viele tolle gebrauchte Klamotten, und wenn man sie gereinigt und vielleicht ein bisschen geflickt hätte, seien sie von besserer Qualität als neue. »Ich beziehe natürlich auch Ware von einem Händler, aber am liebsten mag ich die Kleider, die ich selbst finde. Die Sachen würden sonst bloß weggeworfen. Was für eine Verschwendung, finden Sie nicht auch?« Sie blickte liebevoll auf das grüne Hemdchen.
    Sima nickte. Sie fragte nicht, wohin die alten Leute gingen, verstand aber jetzt, warum die Gegend so verändert wirkte. Sie war gesäubert worden.

    »Sind Sie hier aufgewachsen?«, fragte Liza.
    Sima verneinte, erklärte ihr, dass sie aus Brooklyn stamme, und Liza nickte eifrig, als ergebe das einen Sinn. Sie erzählte Sima, sie komme aus einer kleinen Stadt in Ohio und hätte schon seit ihrer Kindheit in New York leben wollen. »Aber genug der Plauderei«, fügte Liza hinzu, als Sima auf die Straße hinausblickte, »was kann ich für Sie tun?«
    Sima wollte gerade sagen: »Nichts«, als ihr Blick auf einen Ständer mit Mänteln fiel. »Ich weiß«, sagte die Frau und folgte ihrem Blick, »jetzt ist die Jahreszeit dafür. Am Anfang des Winters ist der Mantel aus dem letzten Jahr gar nicht so übel, aber gegen die Mitte zu sehne ich mich dann unbedingt nach was Neuem, verstehen Sie?«
    Die Sätze waren vertraut, aber dennoch anders - sie selbst würde nie »sehnen« sagen, würde nie so übertriebene Ausdrücke benutzen. Sima zog den Mantel heraus, der ihr ins Auge gefallen war. Er war aus schwarzer Wolle, mit grauem Paisley gefüttert und reichte bis über die Waden. Sie zog ihren eigenen schwarzen Mantel aus, der an den Ärmelrändern schon abgewetzt und dessen Taschen ausgebeult waren, und probierte den neuen an. Er passte gut und machte sie ein wenig schlanker als der alte. Auf dem gelben Preisschild stand fünfundsiebzig Dollar, und obwohl sie noch nie so viel Geld für etwas Gebrauchtes ausgegeben hatte, war es trotzdem nicht viel für einen Mantel.
    »Er hat einen tollen Schnitt, ganz klassisch, aber er ist genau wie Ihr alter«, sagte Liza. »Wollen wir mal ein bisschen was anderes probieren?« Bevor Sima protestieren konnte, wurde ihr ein grüner Mantel gereicht. Immergrün,

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