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Die geheime Welt der Frauen

Titel: Die geheime Welt der Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilana Stanger-Ross
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sie durch Beobachten beschützen.
    Aber dann kamen zwei Busse gleichzeitig an - »Erst müssen
wir eine Viertelstunde warten«, beklagte sich eine Frau mit fuchsiarotem Lippenstift und trat ihre Zigarette aus, »und dann kommen gleich zwei auf einmal« -, und Sima griff in ihre Tasche und zählte Vierteldollarmünzen ab.
    »Umsteigen?«, fragte der Fahrer, und Sima nickte.
    Sie ließ Timnas Bus vor sich nicht aus den Augen und kam sich vor wie eine Figur aus einem der nächtlichen Actionfilme, die Lev manchmal ansah. »Warum vergeudest du damit deine Zeit?«, fragte sie, wenn sie an der Tür stehen blieb, während auf dem Bildschirm etwas explodierte. Aber manchmal setzte sie sich dazu und fragte: »Wer ist das? Ist das der Böse?«, und hörte zu, wenn Lev ihr in den Pausen zwischen den Actionszenen flüsternd die Geschichte erklärte.
    Als der Bus vor der U-Bahn-Station anhielt, stieg Sima aus und zeigte wie alle anderen ihr Ticket vor. Sie hörte das Quietschen der Bremsen eines einfahrenden Zugs und ließ sich von der Menge mitschieben, damit sie hinterher sagen könnte, ich wollte ihr nicht folgen, wirklich, ich war plötzlich einfach dort und dann …
    Und dann ging’s unter den Straßen von Brooklyn hindurch, über die Brücke von Manhattan und wieder nach unten, wie bei einem Versteckspiel. Danach kämpfte sie sich, Entschuldigungen murmelnd, aus dem Zug heraus, um Timna zu folgen, die sie vom anderen Ende des Abteils aus nervös beobachtet hatte.
    Timna nahm immer zwei Stufen der Treppe auf einmal. Daher hat sie also solche Schenkel, dachte Sima, während sie ihr nachhastete. Sie folgte der jungen Frau einen Gang hinunter und dann weitere Stufen nach oben, in den Himmel, in die Nacht, in die Stadt hinauf.
    Sie traten auf den Union Square hinaus, wo gerade der Markt geschlossen wurde. Sima blickte sich erstaunt um. Sie war selten
in Manhattan. Einmal im Jahr besuchte sie eine Dessousmesse, und ab und zu trafen sie und Lev ein anderes Paar zum Essen oder gingen zu einer Feier - einer Hochzeit, einer Beschneidungsfeier. Aber sie konnte sich nicht erinnern, wann sie zum letzten Mal bei Nacht einfach so durch die Stadt spaziert war. Es fühlte sich sofort romantisch an: der dunkle Winterhimmel, die riesigen Gebäude, der große offene Platz. Eine Frau in pinkfarbenem Mantel packte Bienenwachskerzen in Kartons, und Sima blieb einen Moment stehen, sah auf die Kerzen, die getrockneten Blumen und Marmeladen und dachte, wie schön, warum habe ich daran nie gedacht, vielleicht komme ich am Sonntag mit Lev wieder her. Aber Timna ging weiter, also sie auch. Sie überquerte die Straße vor einem Taxi, eilte an einem Starbucks vorbei, folgte ihr dunkle Straßen mit braunen Backsteinhäusern hinunter. Während sie weiter nach Osten gingen, wurden die Häuser schäbiger - grau verblichene Ziegelsteine, Eingänge mit zerbrochenen Kacheln -, aber die Restaurants waren ganz mit Holz verkleidet und hatten weiches Licht, und die Modeläden waren leuchtend weiß gestrichen mit bunten Kleidern auf schmalen Ständern. Wo bin ich, fragte sich Sima verwundert, obwohl sie die Straßennummern kannte und das Krankenhaus. Ja, hier war Connies Cousin Marty aufgewachsen, den sie manchmal am Wochenende besucht hatten - aber es hatte sich so viel verändert, und war das wirklich so lange her?
    Timna blieb vor einem alten Mietshaus stehen und drückte auf die Klingel. Sima beobachtete von der anderen Straßenseite aus, wie sie in die Sprechanlage sprach und sich dann gegen die Glastür lehnte.
    Die Stadt schluckte einmal, und sie war fort.
    Sima sah zu dem Gebäude hinüber und fragte sich, in welchem Apartment Timna verschwunden war. Es gab Fenster mit
Vorhängen in Leoparden-Druck, Neonpink und gelbem und orangefarbenem Blumenmuster, das als Retro bezeichnet wurde, wie Sima wusste. Es gab silberne Metalljalousien, billige weiße Stoffrollos und ein kahles Fenster, das den Blick auf ein Stück weiße Wand und metallene Bücherregale freigab.
    Es war unmöglich herauszufinden, hinter welchem Fenster sich Timna verbarg.
    Sie ging wieder weiter. Es war Zeit fürs Abendessen, sie fror und war hungrig wie ein Katzenjunges, eine Zeile, die sie von irgendwoher kannte und die ihr plötzlich wieder in den Sinn kam. Sie rief Lev mit dem Mobiltelefon an, das für Notfälle, die nie eintraten, immer in ihrer Tasche steckte, und trug ihm auf, ein paar Piroggen aufzutauen. Bevor er fragen konnte, wo sie war, legte sie auf.
    Jeder Block besaß ein hell

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