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Die geheimen Jahre

Titel: Die geheimen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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Daniel.
    Â»Mary und Edward«, plapperte Lally triumphierend nach. »Ich muß kein Pfand geben, nicht wahr?«
    Â»Nein, wohl nicht. Stell lieber jemand anderem eine Frage. Frag Thomasine, Lally.«
    Ein Ausdruck äußerster Konzentration trat auf Lallys kleines Gesicht. »Du mußt mir den Namen von Marjories Verlobtem sagen.«
    Â»Ach, zum Teufel, Lal. Wie um alles in der Welt soll Thomasine den wissen?«
    Â»Ich hab nicht die geringste Ahnung. Macht aber nichts. Sag mir, was ich tun soll, Lally.«
    Es folgte eine lange Pause. Dann sagte Lally: »Ich möchte, daß du auf den Springbrunnen in der Mitte des Teiches kletterst.«
    Â»Mach dich nicht lächerlich, Kleine. Der Teich ist ziemlich tief, und sie würde ganz naß werden.«
    Thomasine war bereits aufgesprungen. »Das macht mir nichts aus.«
    Der Springbrunnen, der in einem großen Teich stand, befand sich in der Mitte einer Rasenfläche hinter dem Haus. Als sie über den Rasen lief, blickte Thomasine zum Haus hinauf und sah die verhängten Fenster, die wie eine Vielzahl geschlossener Augen aussahen.
    Nicholas war an ihrer Seite. »Welches ist dein Zimmer?« flüsterte sie.
    Â»Das da«, antwortete er, auf eines deutend. Ȇber dem Wintergarten. Möchtest du … das Haus ansehen?« Seine Stimme klang beiläufig. »Komm morgen vormittag. Nur du allein. Ich führ dich herum.«
    Lally rief: »Erfüllst du deine Aufgabe nicht?«
    Thomasine streifte ihre Stiefel und Strümpfe ab und raffte ihren Rock. Das Wasser fühlte sich herrlich kühl an. Karpfen schossen zwischen den Lilienkissen hindurch wie Goldpfeile. Bald reichte ihr das Wasser bis über die Knie, dann bis zum Rocksaum und schließlich bis zu den Schenkeln. Der Brunnen war ein überladenes Barockkunstwerk mit vielen Putti und Delphinen, dessen bogenförmige Fontänen in allen Regenbogenfarben glitzerten.
    Â»Das reicht schon, Thomasine! Du hast es getan«, rief ihr Nicholas über den Teich zu.
    Â»Nein, das hat sie nicht. Ich hab gesagt, sie muß auf den Brunnen klettern, und sie hat gesagt, sie tut es.«
    Thomasine holte tief Luft, schloß die Augen und ging weiter. Das Wasser des Springbrunnens sprühte ihr auf Gesicht, Brust und Schultern. Aber sie streckte die Hand aus, ertastete den glitschigen Stein und kletterte, mit bloßen Füßen auf dem Granit Halt suchend, triumphierend nach oben.
    Nicholas stieß einen Siegesschrei aus, aber Daniel sprang ins Wasser und lief, durch Goldfische und Lilien planschend, auf sie zu. Mit einem Rutsch purzelte sie vom Brunnen in seine Arme. Er senkte kurz den Kopf, und seine Lippen strichen über ihre Stirn, so flüchtig, daß sie nicht wußte, ob die Berührung zufällig gewesen war. Sie schlang die Hände um seinen Hals, und beide wateten durch den Teich zurück. Durchnäßt und lachend ließen sie sich ins Gras fallen. Thomasine wrang ihren Rock aus.
    Â»Ich hab eine Aufgabe für dich, Gillory. Ich möchte, daß du auf der Mauer beim Labyrinth entlanggehst«, sagte Nicholas kalt.
    Mit einem Schlag erstarb das Lachen. »Du hast Daniel keine Frage gestellt«, sagte Thomasine. »Und die Mauer ist zu hoch, zu schmal und zu gewunden.«
    Â»Deshalb wird sie ja auch als Serpentinenmauer bezeichnet«, antwortete Nicholas hochmütig. Er hatte sich bereits angeschickt, vom Teich in Richtung Labyrinth zu gehen.
    Daniel lief den Hang hinunter Nicholas nach. Thomasine stand rasch auf. Mit dem Daumen im Mund und einem lauernden Gesichtsausdruck trottete Lally gemächlich hinter den beiden Jungen drein.
    Daniel war bereits barfuß und warf seine Stiefel an einem Ende der Mauer ab. Eine der Sohlen hatte sich gelöst, und das Leder klaffte auf wie ein geöffneter Mund. Die Mauer war über zwei Meter hoch, stark gewunden und aus den blaßgelben Ziegeln der Fens gebaut. Als Daniel in den Efeu griff, riß er ab, und feiner Zementstaub rieselte aufs Gras.
    Â»Du mußt eine Spitzbubenleiter für mich machen.«
    Nicholas lehnte sich mit dem Rücken an die Mauer und verschränkte die Finger. Daniel stieg auf seine Hände und zog sich, mit den Füßen über die Ziegel scharrend, hinauf. Aufrecht stand er auf der Mauer und begann vorwärts zu gehen.
    Â»Komm schon, Gillory«, sagte Nicholas höhnisch. »Das ist ja Kriechen, nicht Gehen.«
    Daniel grinste und begann zu rennen.
    In

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