Die geheimen Jahre
einfiel.
»Als ich klein war, haben sie mir Angst eingejagt«, sagte Nicholas. »Vor allem der VielfraÃ. Er ist inzwischen ein biÃchen mottenzerfressen, das alte Ding.«
Er führte sie in den Salon. Die Wände waren korallenrot, mit Bildern behängt, die Decke blau, mit reichverzierten Kranzleisten. Der Raum war von dem Licht erfüllt, das durch die groÃen Fenster hereinströmte: ganz anders als die beengende Düsternis von Quince Cottage.
»Den hat jemand aus Venedig mitgebracht.« Nicholas deutete auf einen Sekretär. »Im siebzehnten â oder war es im achtzehnten Jahrhundert â¦?«
» WeiÃt du das nicht? Ich meine, deine Familie â¦Â«
Er schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Ich kenne mich mit dem Zeug nicht aus. Das kriegt alles der arme Gerry, Gott sei Dank. Komm weiter.«
Weitere Räume, jeder eine verwirrende Ansammlung von Gemälden, Verzierungen, Teppichen und dick gepolsterten Möbeln.
»Der Wintergarten«, sagte Nicholas schlieÃlich und öffnete eine Tür.
Er zog sich über die gesamte Länge des hinteren Hauses, ein eleganter Bau aus Glas und Schmiedeeisen, mit schwarzem und weiÃem Marmor gefliest und mit Pflanzen überwuchert. Feuchte, erstickende Hitze herrschte darin.
»Schrecklich schwül, nicht?« Nicholas wischte sich mit dem Taschentuch über die Stirn.
Die Vegetation war üppig und exotisch. Wächserne Blüten hingen herab, die Blätter leuchteten in tiefem Dunkelgrün. Die Luft im Wintergarten war heià und stickig, ein wenig dumpf, und vom betäubenden Duft der Blumen erfüllt.
Aufgeregt frage Nicholas: »Wie findest duâs? Gefällt es dir? Wir gehen raus, wenn du dich langweilst.«
»Ach, Nicholas . Wie könnte ich mich langweilen?« Thomasine sah sich um. »Es ist einfach wundervoll. Sieh dir das an â es ist wie, es ist wie ein Dschungel. Oder wie ein Paradies.«
Nicholas trug Reithose, Reitstiefel und ein Jackett mit Hemd und Krawatte. Sein dunkles Haar klebte von der Hitze an der Stirn. »Sollen wir hier drinnen den Lunch nehmen? Nein, viel zu heiÃ, findest du nicht auch? Ich würde sagen â« er sprang auf â, »wie wärâs mit einem Picknick?«
»O ja, ein Picknick wäre herrlich. DrauÃen istâs viel kühler.«
Sie gingen in die Küche. Als Nicholas die Tür öffnete, erstarb mit einemmal das Schwatzen, ein geschäftiges Werken mit Töpfen und Pfannen und demonstratives Klappern der Deckel traten an seine Stelle.
»Miss Thorne und ich möchten uns gern ein Picknick herrichten lassen, Mrs. Blatch. Kaltes Hühnchen und Schinken, ein biÃchen Salat und ⦠was würden Sie zum Nachtisch vorschlagen?«
Seine Stimme hatte sich verändert, seine lockere Freundlichkeit hatte einem überheblichen Ton Platz gemacht, in dem leichte Nervosität mitschwang. Die Dienerschaft, von der viele Thomasine kannten, starrte sie mit einer Mischung aus Neugier und Ablehnung an.
»Komm mit nach oben«, schlug Nicholas vor, nachdem sie die Küche verlassen hatten. »Wir haben noch zwei Stockwerke anzusehen.«
Die Treppen waren breit und geschwungen, und an den Wänden hingen die Porträts verstorbener Blythes. Auf dem Treppenabsatz trafen sie Lally.
»Geh zurück in dein Kinderzimmer«, herrschte Nicholas sie ärgerlich an. »Du solltest doch beim Unterricht sein.«
Lally zog eine Grimasse und klammerte sich an Nicholasâ Arm. »Mir ist so langweilig, Nicky. Ich möchte mit euch gehen. Bitte, Nicky.«
»Komm, zieh Leine, Lally«, antwortete Nicholas. »Geh weg.«
Während Lally schniefend die Treppe hinunterrannte, sagte Nicholas: »Mama sollte sie zur Schule schicken. Ihre Gouvernante kriegt sie einfach nicht in den Griff.«
Sie gingen in die Bibliothek, wo schwere Vorhänge und Blenden die Bücher vor dem Sonnenlicht schützen sollten. Thomasine schlenderte von einem Regal zum anderen.
»Das würde Tante Hilly gefallen! So viele Bücher!«
Nicholas gähnte. »Ich hasse diesen Raum. Er erinnert mich an die Schule.«
Nebenan, in Sir Williams Arbeitszimmer, tanzte der Staub in den Lichtstrahlen, die durch die Lücken zwischen den Vorhängen einfielen. Nicholas drehte sich zu Thomasine um.
»Möchtest du den Feuerdrachen sehen?«
Ohne ihre Antwort abzuwarten, zog er einen Vorhang zur Seite
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