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Die geheimen Jahre

Titel: Die geheimen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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neunzehnten Jahrhunderts.«
    Lady Blythe murmelte: »Du solltest auf Nicholas hören, Thomasine. Er kennt Drakesden schließlich besser als du. Er wurde hier geboren. Das ist ein Unterschied.« Sie nahm William Nicholas’ Teller weg. Wütend schlug das Kind mit der kleinen Faust auf den Tisch.
    Â»Wie auch immer, ich habe einen Traktor bestellt. Das wird eine erstklassige Sache. Man hat mir einen Sonderpreis geboten. Ich wäre ein Narr, wenn ich nicht zugegriffen hätte.«
    Trotz stand in Nicholas’ Gesichtsausdruck, als sein Blick den von Thomasine traf.
    Plötzlich überkam sie panische Angst. All ihre Arbeit und Pläne des vergangenen Jahres würden sich in nichts auflösen, weil sie gegen die Mischung aus Lady Blythes eingefleischtem Konservatismus und Nicholas’ mangelndem Realitätssinn nicht ankommen würde.
    Â»Aber ich sagte dir doch, daß wir nächstes Jahr vorhaben, Erdbeeren und Johannisbeeren zu pflanzen – das hab ich dir doch gesagt , Nick! Sie verkaufen sich viel besser als Weizen …«
    Lady Blythe stieß ein hohes, schrilles Lachen aus. »Was für eine ausgefallene Idee. Als ich neulich die kleine Rose Carter besuchte, aßen sie Knödel, Brot und Margarine. Nicht mal das kleinste Stückchen Fleisch, von Obst ganz zu schweigen. Und du willst Erdbeeren anpflanzen!«
    William begann zu schreien. Lady Blythe schüttelte den Kopf. »Ich hab dich gewarnt, Thomasine. Er ist wirklich noch nicht alt genug, um an Familienmahlzeiten teilzunehmen. Er ist überreizt.«
    Â»Schreckliche Schweinerei …« Umständlich zupfte Nicholas sich die Krümel von der Hose.
    Thomasine zwang sich, Ruhe zu bewahren. »Die Dorfbewohner essen solch einseitige Kost, weil sie es sich nicht leisten können, etwas Besseres zu kaufen. Ich denke an die Leute in den Städten und Vororten. Leute, die sich ein bißchen mehr leisten können. Man sieht es doch in der gesamten Region hier, Nick. Die Bauern plagen sich nicht mehr mit Weizen ab, sie pflanzen Sellerie, Chicoree, Himbeeren und Johannisbeeren. Um Himmels willen«, hörte sie sich verzweifelt sagen, »wie konntest du losziehen und einen Traktor kaufen? Siehst du denn nicht, daß uns das Bargeld dafür fehlt? Ich hab dir die Bankauszüge doch gezeigt …«
    Â»Nicky hat ganz recht, sich nicht mit Buchhalterarbeiten zu belasten. Weder sein Vater noch sein Großvater haben sich mit Kleinkram abgegeben. Das ist genau das, was du nicht verstehst, Thomasine. Ladeninhaber und Händler mögen sich damit abgeben, Zahlenkolonnen zu kritzeln, wir aber nicht.« Lady Blythe lächelte herablassend.
    Weshalb ihr Gefahr lauft, alles zu verlieren, dachte Thomasine. Weshalb das Land verkommt und das Haus verfällt. Es war, als stünde sie am Deich, und das Wasser stiege höher und höher, bis es den Rand erreichte und sich anfangs tröpfelnd und schließlich in einer Sturzflut über das Land ergoß.
    Wütend, weil man ihn behindert hatte, schlug William mit der flachen Hand auf den Tisch. Eine der winzigen Teetassen kippte um, und ihr Inhalt floß über das Tischtuch.
    Â»Gott!« sagte Nicholas. Tee tropfte vom Tisch auf seine Kleider. Er stand auf und reichte Thomasine das Kind.
    Â»Das Kind ist außer Rand und Band«, sagte Lady Blythe vorwurfsvoll. »Du mußt wirklich eine neue Nanny einstellen. Martha ist nicht die geeignete Person, um die alleinige Aufsicht zu haben.«
    Nicholas tupfte sich Teetropfen von der Hose. »Mama hat recht, Thomasine. Er wächst sich sonst zu einem Monster aus, bis er sieben ist.«
    Â»Sieben?« wiederholte Thomasine verwirrt.
    Â»Wenn er fort in die Schule kommt. Die anderen Jungen werden ihm schrecklich zusetzen, wenn er sich immer noch wie ein verzogenes Balg verhält.«
    Sie sah Nicholas an. »William wird mit sieben nicht ins Internat gehen!«
    Â»Natürlich wird er das«, fügte Nicholas gereizt hinzu. »Der arme Kerl kann doch nicht für immer an Mutters Rockzipfel hängen, Thomasine.«
    Lady Blythe bedeutete dem Mädchen, das Teegeschirr abzuräumen. »Vielleicht hat Thomasine vor, William auf die öffentliche Schule zu schicken, Nicholas.«
    Nicholas zündete sich eine Zigarette an. Ein Muskel neben seinem Auge zuckte. »Unsinn, Mama. Ein Blythe kann doch nicht mit dem Pöbel die Schulbank drücken. William geht nach Winchester, das war

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