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Die geheimen Jahre

Titel: Die geheimen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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im letzten Jahr von Lord Hardinge of Penshurst gegründet worden, um Freiwillige für den Fall eines Generalstreiks zu rekrutieren. Daniel warf einen Blick auf den potentiellen Straßenbahnfahrer, einen blassen Jüngling mit weichen Händen und gelber Weste, und schaffte es gerade noch, seinen Mund zu halten.
    Â»Ein Zug wäre allerdings lustiger. Das würde einen ans Spielzimmer erinnern, finden Sie nicht auch?«
    Ein dunkelhaariges Mädchen sagte: »Echte Züge sind nur ein kleines bißchen größer, Häschen.«
    Â»Aber was würde man anziehen? «
    Â»Oh – einen Overall und eine Stoffmütze«, sagte Daniel maliziös und bemühte sich nicht länger, zu schweigen. »Und vergessen Sie nicht, daß Sie Kohlen ins Feuer schaufeln müssen. Wahnsinnig anstrengend.«
    Â»Verdammte Bolschewiken«, sagte ein älterer Mann. »Und verdammter Baldwin. Hab nie geglaubt, daß er viel taugt. Unfähige Bande an der Regierung seit dem Krieg. Hampeln herum, während eine Handvoll Arbeiter das Land erpreßt. Stellt ein paar von ihnen an die Wand, würde ich sagen – pour encourager les autres , verstehen Sie?«
    Daniel stellte sein Glas ab. »Ein paar von den Frauen zu erschießen wäre noch besser, finden Sie nicht, Sir? Knallt die Frauen der störrischen Bergleute ab, dann wären sie schnell wieder bei der Arbeit.«
    Â»Das ist der Geist …«
    Â»Oder Kinder. Noch besser. Stellt ein halbes Dutzend Babys an die Wand, und die Revolution wäre im Keim erstickt.«
    Â»Daniel.« Als er sich umsah, stand Thomasine neben ihm. Er verstand den Ausdruck in ihren Augen und hielt sich zurück.
    Â»Du hast ihn beleidigt.« Der ältere Mann war in der Menge verschwunden. Thomasine stellte die Frau neben sich vor. »Daniel – das ist Miss Millford. Miss Millford – das ist Daniel Gillory, der Autor der Schwarzen Erde .«
    Miss Millford war groß und schlank, und ihr Haar war so kurz und hell, daß es silberig wirkte. Ihr Kleid, ein silberweißer Schlauch, reichte kaum bis zum Knie. Sie hatte hübsche Beine, wie Daniel feststellte.
    Â»Mr. Gillory, ich sehne mich danach, Ihr Buch zu lesen. Es sieht einfach wundervoll aus.« Die kleinen blauen Augen blickten ihn eindringlich an und registrierten Interesse und Wohlgefallen.
    Thomasine puderte sich gerade die Nase und ordnete ihr Haar in dem kalten dunklen Gang, als sie die Unterhaltung mitbekam. Die beiden Damen kamen aus dem Schlafzimmer, das als Garderobe für die weiblichen Gäste diente.
    Eine von ihnen flüsterte: »Das war Thomasine Thorne. Du erinnerst dich doch, Dorothy, die frühere Thomasine Blythe. Ist vor über einem Jahr von Nicky Blythe geschieden worden. Er hat sich ehrenhaft gezeigt und sich des Ehebruchs bezichtigt, aber über sie gibt es die delikatesten Gerüchte.«
    Â»Ich hab Nicky Blythe seit Jahren nicht mehr gesehen.«
    Â»Der ist völlig abgebrannt, Liebes. Gussie Fenchurch wollte ihn sich schnappen, aber als sie sah, wie die Dinge standen …«
    Â»Erzähl’s mir. Ich liebe Klatsch.«
    Â»Also, ich hab mit Simon Melville zu Abend gegessen – du weißt schon, er ist doch so dick befreundet mit Lally Blythe. Wie es scheint, war die süße kleine Thomasine gar nicht so unschuldig, wie wir alle glaubten …«
    Die Frauen gingen den Gang hinunter, und die Stimmen waren nicht mehr zu hören. Im Dunkeln verborgen, sah Thomasine, wie ihre schimmernden Kleider im Glanz des Gewimmels aus Seide und Satin im Salon untergingen. Einen Moment lang lehnte sie ihre Stirn an die kalte Fensterscheibe und schloß die Augen. Dann ging sie in die Garderobe zurück und bat das Mädchen um ihren Schal.
    Draußen auf der Straße sah sie sich nach einem Taxi um. Obwohl es fast Mitternacht war, dröhnten noch immer Busse, Lastwagen und Lieferwagen durch die Straßen, aber keine Taxis. Als Thomasine in Richtung U-Bahn zu gehen begann, hörte sie Schritte hinter sich und eine Stimme, die ihren Namen rief.
    Â»Thomasine. Ich hab dich vom Fenster aus gesehen. Wo um alles in der Welt willst du denn hin?«
    Sie versuchte zu lächeln. »Ich geh nach Hause, Daniel. Ich bin müde.«
    Â»Ich bring dich heim.« Er bog in die Seitenstraße, in der er sein Motorrad geparkt hatte. Sie legte die Hand auf seinen Arm und hielt ihn zurück.
    Â»Nein, Daniel. Ich geh allein nach

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