Die geheimen Jahre
drückte das Gaspedal durch, und der alte Wagen erzitterte, als er Geschwindigkeit aufnahm. Die Geschwindigkeit war belebend, reinigend. Sie wusch alles fort, erlaubte ihm, von neuem zu beginnen. Er lächelte und fühlte sich nicht mehr erschöpft. Lang und dunkel streckte sich die StraÃe vor ihm aus, aber schlieÃlich sah er ihr Ende. Als er den kleinen Ruck des Lenkrads spürte, das Schleudern, als die Reifen den Halt verloren, stieà er einen Freudenschrei aus. Er war frei. Er war den Fesseln der Zeit entkommen.
Hinterher schloà Daniel eine Weile die Augen und blieb still liegen. Sein Zorn war gänzlich verflogen, hatte sich mit dem Nachlassen der sexuellen Spannung verflüchtigt. Er fühlte sich müde und benommen und spürte ein Gefühl des Ekels in sich aufsteigen, das hauptsächlich gegen ihn selbst gerichtet war.
Als Lally zu husten begann, öffnete er die Augen. Immer noch nackt, hatte sie sich neben dem kalten Gasfeuer aufgesetzt. Zuerst wollte er nicht glauben, daà aus einem so kleinen Körper ein solches Geräusch kommen konnte: ein trockener, keuchender Husten, der ihren ganzen Leib erschütterte. Daniel setzte sich ebenfalls auf, zog ein paar seiner Kleider über und starrte sie an. Sie hatte ihm den Rücken zugewandt, und er konnte jede einzelne ihrer Rippen sehen. Er hätte die Knorpel ihres Rückgrats zählen können, die sich unter ihrer Haut abzeichneten.
Einen Moment lang schaffte sie es, mit dem Husten innezuhalten. »Nur eine Erkältung«, sagte sie schnell und lächelte ihn an. Ihre Augen glänzten.
Entsetzt stieà er hervor: »Du warst doch beim Arzt, oder?«
»Ach ja â schon vor einer Weile. Er wollte mich in irgendeine schreckliche Klinik einweisen. Aber das konnte ich nicht zulassen, Daniel. Ich hab Angst vor Krankenhäusern. AuÃerdem ist es ohnehin nur eine Erkältung.«
Wieder begann sie zu husten. Er konnte das Geräusch kaum ertragen. Er stand auf, zündete das Gasfeuer an und legte ihr eine Decke um die Schultern. Als sie zu ihm aufblickte und sagte: »Du schickst mich doch nicht weg, Daniel? Ich möchte nicht allein sein. Ich hasse es, allein zu sein«, konnte er nicht sofort antworten.
Er sah auf das kleine angegriffene Gesicht hinab und wuÃte, daà sie für all ihre Untaten endlos bezahlen muÃte. Niemand sollte einen solchen Preis bezahlen müssen. Daher sagte er: »Du kannst bis zum Morgen bleiben, Lally. Aber nur bis zum Morgen.«
Wie ein Kind streckte sie ihm die Arme entgegen, und er sah die Not in ihren hungrigen dunklen Augen. Er half ihr auf die FüÃe und führte sie ins Schlafzimmer. Dort gab er ihr eines seiner Hemden zum Anziehen. Die ganze Nacht klammerte sie sich an ihn und schmiegte den Kopf in seine Armbeuge.
»Miss Thorne! Miss Thorne! Da ist eine Dame, die Sie sprechen möchte.«
Das Klopfen an der Tür unterbrach ihre wirren und anstrengenden Träume über William, Daniel und Drakesden. Als Thomasine die Augen öffnete, sah sie, daà es immer noch dunkel war. Als sie im Dunkeln herumfummelte, um die Gaslampe anzuzünden, warf sie einen Blick auf die Uhr. Es war Viertel nach sechs.
Sie zog ihren Morgenmantel an und öffnete die Tür. »Wer ist da, Mrs. Price?«
»Ihr Name ist Lady Debden«, flüsterte Mrs. Price. »Ich hab sie in den Salon geführt.«
Noch immer schlaftrunken, sagte ihr der Name zuerst nichts. Dann erinnerte sie sich: Lady Debden war Isabel Debden, die frühere Isabel Blythe. Nicholasâ Cousine Belle. Sie hatte Belle seit Jahren nicht mehr gesehen.
Sie lief die Treppe hinunter und wuÃte instinktiv, daà etwas Schreckliches passiert war. William ⦠William hatte Lungenentzündung ⦠oder Keuchhusten ⦠war die Treppe hinuntergefallen â¦
Ihre schlimmsten Ahnungen wurden bestätigt, als sie Belle sah. Belle saà am Tisch und knüllte ein Taschentuch in den Händen. Ihre Augen waren vom Weinen rot und verschwollen, ihr Gesicht voller roter Flecken.
Sie brachte kaum ein Wort heraus. »Belle â was ist passiert? William â¦?«
Belle schüttelte den Kopf. »William gehtâs gut, Thomasine«, sagte mit zitternder Stimme. »Es geht um Nicky. Ein Autounfall â¦Â« Sie wischte sich über die Augen und holte dann tief Luft. »Nicky ist tot, Thomasine.«
Thomasine sank auf Mrs. Prices RoÃhaarsofa. Sie
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