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Die geheimen Jahre

Titel: Die geheimen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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ihr doch nichts, Alice?«
    Alice erwiderte ungeduldig: »Ich werde ihr nichts erzählen, bestimmt nicht.« Dann schnippte sie die Asche ihrer Zigarette aus dem Fenster und fügte hinzu: »Du hast immer noch keine Ahnung, nicht wahr? Du bist schwanger, Thomasine. Du kriegst ein Baby.«
    Wenn sie sich wieder hinlegte, ginge die Übelkeit vielleicht vorüber. »Sei nicht albern, Alice. Ich bin doch nicht verheiratet«, antwortete Thomasine und zog die Decke über den Kopf.
    Die Steppdecke wurde zurückgerissen. Alice sah sie wütend an. »Haben dir denn deine Tanten überhaupt nichts erklärt? Nein – wahrscheinlich nicht.«
    Thomasines Ärger über Alices angebliche Weltläufigkeit stieg erneut in ihr auf. »Ach, laß mich doch um Himmels willen in Ruhe, Alice.«
    Â»Ich hätte große Lust, den verdammten Clive Curran umzubringen.«
    Sie begriff nicht, warum Alice ein solches Theater machte, spürte aber, daß leise Angst in ihr aufkeimte.
    Alice sagte scharf: »Wenn du diesem Mistkerl erlaubt hast, sich bei dir Freiheiten rauszunehmen, Thomasine, dann könntest du schwanger sein – ein Baby bekommen. Das kann auch passieren, wenn du nicht verheiratet bist, weißt du, gleichgültig was Tante Soundso gesagt haben mag. Es ist meiner Schwester Clementine passiert – ihr war einen Monat lang jeden Morgen hundeelend. Dadurch hat sie es herausgefunden – und natürlich auch dadurch, daß ihre Periode ausblieb. Sie mußte Hals über Kopf heiraten, ansonsten hätte Mum sie umgebracht.«
    Es war eher die Sorge in Alices Gesicht, die Thomasine alarmierte, als ihre tatsächlichen Worte. Die ergaben nämlich immer noch keinen Sinn.
    Alice rieb sich die Augen. »Gott – mein armer Kopf.« Sie wandte sich wieder Thomasine zu. »Bist du schon beim Arzt gewesen?«
    Thomasine schüttelte den Kopf. In dem unordentlichen, vertrauten Zimmer mit den Geräuschen, die von der Straße und dem nahen Markt hereindrangen, wirkte die Unterhaltung vollkommen unwirklich.
    Â»Das solltest du aber. So bald wie möglich. Und wenn ich recht habe, dann solltest du deinem Liebhaber am besten gleich einen Besuch abstatten, bevor er sich aus dem Staub macht.«
    Alice vereinbarte den Termin beim Arzt und begleitete Thomasine in die Praxis. Als sie nach der Untersuchung ins Wartezimmer zurückkehrte, kam sich Thomasine schmutzig und befleckt vor. Ein Fremder hatte sie an der Stelle berührt, die zuvor nur Clive, ihr Geliebter, berührt hatte. Der Arzt war kalt, barsch und ablehnend gewesen. Was er gesagt hatte, war zu entsetzlich, um es glauben zu können.
    Sie gingen auf die Straße hinaus. Draußen an der frischen Luft begann es, glaubhafter zu erscheinen. Auf der Straße herrschte noch immer geschäftiges Treiben. Paris war genauso strahlend und schön wie zuvor. Nur sie allein fühlte sich zum erstenmal unrein und beschämt.
    Â»Was soll ich denn tun ?« rief sie, als sie an Alices Arm das Trottoir entlangging.
    Â»Er muß dich heiraten«, sagte Alice nachdenklich. »Du mußt Clive Curran dazu bringen, dich zu heiraten.«
    Am folgenden Nachmittag ging Thomasine zum erstenmal auf eigene Initiative zu Clive Currans Wohnung. Bislang hatte sie ihn nur besucht, wenn er sie einlud. Die Concierge starrte sie an, als sie die Treppe hinaufstieg, und Thomasine war überzeugt, daß die Frau ihr schreckliches Geheimnis erraten hatte.
    Sie klopfte an Clives Tür. Nach einiger Zeit hörte sie Schritte und ein knarrendes Geräusch, als er den Schlüssel im Schloß umdrehte.
    Als die Tür aufging, sagte sie hastig: »Clive – ich muß mit dir sprechen. Tut mir leid, daß ich einfach so reinplatze, aber es ist wichtig.«
    Â»Es ist gerade nicht besonders günstig, Süße. Ich hab Briefe zu schreiben, Rechnungen zu bezahlen, derlei Dinge.«
    Â»Bitte, Clive. Nur ein paar Minuten.«
    Als sie sich in seiner Wohnung umsah, dachte sie erneut, wie kahl alles wirkte. Es war kein Zuhause, sondern eine vorübergehende Absteige, ein Ort, um seine Habseligkeiten abzustellen. Sie sah weder Papier noch Feder auf dem Tisch, aber die Tür zum Schlafzimmer, in dem Clives Schreibtisch stand, war geschlossen.
    Â»Was gibt’s denn, Kleines? Tut mir leid, dich zu drängen, aber du weißt ja, wie’s ist.«
    Sie hatte sich die ganze Nacht über den Kopf zermartert, wie sie es

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