Die geheimen Memoiren der Jane Austen - Roman
Zimmer mit all ihren Annehmlichkeiten genossen, und Harris’ Antrag hat mich beinahe verhext. Aber mein Jawort war zu sehr auf finanziellen Überlegungen begründet. Ich liebe ihn nicht! Ich habe nicht einmal die geringste Hoffnung, ihn je zu lieben! Ich habe das Gefühl, als hätte ich gerade einen Pakt mit dem Teufel geschlossen: ein Leben in Muße im Tausch gegen ein Leben in Kummer und Einsamkeit!«
»Jane, beruhige dich. Geh wieder zu Bett und schlafe. Am Morgen ist alles wieder gut.«
»Es
ist
Morgen!«, rief ich. »Ich finde keine Ruhe, ehe ich nicht rückgängig gemacht habe, was ich so voreilig beschlossen habe. O Cassandra! Wenn ich an die Schmerzen denke, die ich so vielen Menschen verursachen werde, die ungute Stimmung, die sich daraus entwickeln muss, dann quält, beschämt und ängstigt mich das sehr. Aber ich kann Harris nicht heiraten. Ich kann es einfach nicht.«
Ich glaube, dass nichts, was ich je, vor oder nach diesem Tag, gesagt oder getan habe, so viele Menschen bestürzt und erschüttert hat wie die Rücknahme meines Jaworts an jenem Morgen.
Ich traf Harris im Frühstückszimmer an. Durch einen Tränenschleier hindurch sprach ich die Worte, die gesagt werden mussten: Es täte mir unendlich leid, aber ich hätte zu voreilig geantwortet. Ich hätte einen Fehler gemacht,und die Schuld läge ganz allein bei mir. Seine Reaktion entsprach völlig seiner Natur. Sein Gesicht verdüsterte sich, er starrte mich konsterniert an, wandte sich dann abrupt ab und rannte wortlos aus dem Zimmer.
Die Trauerbekundungen seiner Schwestern waren mehr, als ich ertragen konnte. Ich beharrte darauf, dass ich unmöglich in diesem Hause bleiben könnte, nicht einmal in der Nachbarschaft, keine Minute länger. Es wurde eine Kutsche herbeibeordert, Bedienstete hasteten mit unseren Habseligkeiten hin und her, und unter viel Schluchzen und vielen erschütterten Umarmungen verließen Cassandra und ich Manydown und wurden prompt nach Steventon zurückbefördert. Dort drängte ich meinen Bruder James, das Aufsetzen seiner allwöchentlichen Sonntagspredigt zu unterbrechen und uns auf der Stelle zurück nach Bath zu bringen.
Sobald ich in den Schutz und die Geborgenheit meiner Eltern zurückgekehrt war, teilte ich ihnen die Neuigkeiten so schonend wie möglich mit. Meine Mutter und mein Vater waren sprachlos.
»Du hast seinen Antrag angenommen und dein Jawort dann wieder zurückgenommen?«, rief meine Mutter.
»Es war falsch von mir, ja zu sagen. Ich habe in einem flüchtigen Anfall von Verblendung gehandelt.«
»Was für eine Verblendung? Das war ein Heiratsantrag, und ein äußerst vorteilhafter noch dazu. Was hast du dir nur dabei gedacht?«
»Ich denke an sein Wohlbefinden, Mama, genauso wie auch an meines. Ich bin überzeugt, dass ich ihn niemals glücklich machen kann und dass ich selbst unglücklich sein würde. Wir passen nicht zusammen.«
»Ich habe ihn immer für einen ordentlichen jungenMann gehalten«, meinte mein Vater. »Er ist keine erst kürzlich gemachte Bekanntschaft. Ihr seid ja beinahe miteinander aufgewachsen. Er ist wie ein Bruder für dich.«
»Das ist es ja gerade, Papa. Ich liebe ihn nicht, wie eine Frau ihren Ehemann lieben sollte, und er liebt mich auch nicht.«
»Nimm ihn und vertraue darauf, dass sich die Liebe nach der Eheschließung schon einstellen wird«, beharrte meine Mutter.
»Nein, Mama.«
»Aber du könntest in Manydown leben!«, rief sie. »Und zu einer so bekannten Familie gehören!«
Mein Vater seufzte und sagte: »Jane, ich weiß, dass du, seit du ein kleines Mädchen warst, stets gesagt hast, dass du nur aus Liebe heiraten würdest. Aber ist dir klar, was du tust? Lass dir gesagt sein, dass du vielleicht noch weitere achtzehn Jahre in der Welt leben magst, ohne dass ein Mann mit auch nur einem halb so großen Besitz um dich werben wird. Du wirfst eine Gelegenheit weg, einen Platz im Leben zu finden, einen erstrebenswerten, ehrenwerten und noblen Platz. Und dergleichen wird dir vielleicht nie wieder angeboten.« 20
»Vielleicht nicht, Papa. Aber ich habe das Richtige getan. Es tut mir nur leid, dass euch die Art und Weise, wie ich es getan habe, so viel Kummer bereitet hat.«
Kapitel 7
Als meine Mutter an jenem heißen Augustmorgen des Jahres 1808 in Southampton jammernd im Zimmer auf und ab schritt, beklagte sie meinen ledigen Stand so bitter, als hätte ich gerade eben erst mein Jawort auf Harris’ Antrag zurückgenommen und nicht bereits sechs Jahre zuvor.
»Ich
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